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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Höhlenwände; manche Höhlen waren so heilig, daß die Frauen sie nicht betreten durften, aber alle wußten, daß die Bilder wunderschön waren und die Heldentaten der Ahnen darstellten. Doch dieses Gemälde war vollkommen. Jeder konnte sehen, daß es das Bild eines riesigen Schiffes auf einem winzigen Meer war. Vielleicht war es ein Gemälde genau dieses Schiffes. Dieser kluge Einfall versetzte sie in helle Aufregung, und sie kicherte selbstzufrieden.
    Die verwirrte Frau hörte sie und stürzte herbei. Ihr Gesichtsausdruck verriet Freude darüber, daß Kagari lachen konnte. Sie umarmte sie, eilte zu einer ihrer Schachteln, kam mit einem kleinen Geschenk zurück und drängte Kagari, es zu essen. Da die anderen Nahrungsmittel nicht vergiftet gewesen waren, steckte Kagari das Geschenk ohne zu zögern in den Mund. Erfreut nahm sie den vertrauten Geschmack von Nüssen und Honig wahr. Es war gut. Budgeri.
    Sie lachte begeistert. »Budgeri«, sagte sie und streckte die Hand nach mehr aus.
     
    Kapitän Beckmann fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, das Mädchen mit zu sich nach Hause zu nehmen. Nicht, daß die Behörden etwas dagegen gehabt hätten. Niemand scherte sich um Schwarze. Wenn eine Frau wie Gussie einer Eingeborenen Schutz gewähren wollte, dann tat sie nichts anderes als ein Missionar. Nein, es war etwas anderes. Dieses Mädchen hatte einen Hochmut an sich, den man bei Schwarzen selten antraf, auch bei einem weißen Mädchen wäre solch ein Stolz undenkbar gewesen. Gussie und er waren sich einig, daß sie um die zwölf Jahre alt sein mußte. Zwar war sie groß für ihr Alter, aber noch nicht ausgewachsen. Als Mann konnte er auch nicht übersehen, daß ihr Körper erblühte und äußerst begehrenswerte Formen entwickelte. Ihr kleines Kinn war gebieterisch gereckt und die Augen glitzerten schon wieder unternehmungslustig. Das Glitzern in diesen großen braunen Augen kam Kapitän Beckmann bekannt vor. Sie hatten einen goldenen Schimmer, zu feucht, um hart zu wirken, und blickten ruhig und fast feierlich. Oder war es ihre Art, den Kopf zu halten? Ja, das war es. Ihr Kopf, bedeckt mit dicken, verfilzten Locken, die Gussie allmählich entwirrte, ruhte auf einem langen zierlichen Hals. Ja, er ruhte wirklich, denn anders als andere kleine Mädchen drehte, hob und senkte sie nicht ständig den Kopf. Sie hielt den Kopf vollkommen ruhig, wenn sie einen ansah. Otto versuchte es selbst, es war gar nicht so einfach. Es mußte etwas mit den Muskeln zu tun haben, wahrscheinlich war das für das Überleben in der Wildnis lebensnotwendig und wurde ihnen von klein auf beigebracht. Auf jeden Fall machte die Kleine durch diese Kopfhaltung einen vollkommen gelassenen Eindruck, der allerdings mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte – das Mädchen war völlig verwirrt.
    Kapitän Beckmann runzelte die Stirn. Augusta stand an der Reling, beobachtete das geschäftige Treiben am Kai und wartete geduldig darauf, daß er sie an Land begleiten würde. Er war erleichtert, daß sie in Zukunft zu Hause bleiben wollte. Wenn sie nur diese fixe Idee aufgeben würde, das Mädchen bei sich behalten zu wollen.
    Er ging hinaus, um mit ihr zu reden. Vielleicht würde sie jetzt, nach der Rückkehr in die Zivilisation, die Dinge anders sehen. »Ich habe nachgedacht«, sagte er leise, »wir sollten das Kind den Schwarzen in Brisbane übergeben, und die könnten sie zurück in den Busch bringen, wo sie auch hingehört.«
    Gussie drehte sich verärgert um. »Betrachtest du sie als eine Art Tier? Als ein Eichhörnchen, das man irgendwo findet und dann einfach wieder im Wald aussetzt?«
    »Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich denke nur, daß sie bei ihren Leuten besser aufgehoben wäre.«
    »Das sind nicht ihre Leute. Du hast es selbst gesagt. Sie gehören zu einem anderen Stamm. Du könntest sie genausogut nach Hamburg bringen. Niemand würde sich für sie verantwortlich fühlen.«
    »Wo ist sie jetzt?« fragte Otto hintergründig.
    »In der Kabine eingesperrt.«
    »Genau. Und du wirst sie immer einsperren müssen, damit sie nicht wegläuft.«
    »Nein, das wird sie nicht. Ich kümmere mich um sie. Außerdem ist sie nicht die erste Schwarze, die in der Welt der Weißen lebt.« Sie deutete auf eine Gruppe eingeborener Jungen, die in schäbiger europäischer Kleidung am Kai entlangliefen. Sie alberten mit einem Lasso herum. »Schau sie dir an. Es gibt viele Eingeborene in Brisbane, und alle sprechen sie Englisch.«
    »Schon, aber was wird aus

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