Sonnenfeuer
gehört. Trotz ihrer erbärmlichen Lage waren sie sehr nett zu Diamond, aber diese war entsetzt, daß sie solch ein elendes Dasein fristeten. »Warum geht ihr nicht zurück in euer eigenes Land?« fragte sie.
»Das sein unser Land«, erwiderten sie und zuckten die Achseln. »Weiße Mann haben Land genommen.«
Eine alte Frau riet ihr genau dasselbe wie die Missus. »Du gute saubere Mädchen, Diamond. Nun du Frau sein, wegbleiben von schwarze und weiße Mann. Du sagen, scher dich zum Teufel.« Als die Missus wieder einmal ihre Warnung aussprach, verkündete Diamond: »Ich weiß. Ich sage ihm, er soll sich zum Teufel scheren.«
Die Missus war zunächst sprachlos, aber dann hatte sie gelacht, wobei ihr Doppelkinn fröhlich hin und her wackelte. Bei der Rückkehr des Käpt’ns hatte die Missus natürlich darauf gedrängt, Diamond solle ihre Antwort vor ihm wiederholen. Er hörte gerne zu, wenn sie ihm in allen Einzelheiten erzählten, was sie während seiner Abwesenheit erlebt hatten. Auch er lachte über ihre Bemerkung. »Eines Tages werden wir für Diamond einen netten Mann finden«, stellte er fest, aber das freute die Missus überhaupt nicht.
Für die nächste Heimkehr des Käpt’ns plante die Missus eine besondere Willkommensfeier. Sie backte einen Obstkuchen, den sie erst am Tage seiner Ankunft glasieren wollte, und kaufte Kerzen und Bonbons. Sie und Diamond freuten sich beide sehr darauf. Da sich das Datum seiner Rückkehr nicht genau festlegen ließ, hatte die Missus bereits einige ihrer Freunde von der Kirchengemeinde vorgewarnt, daß ihre Einladungen oft sehr kurzfristig seien, aber das machte niemandem etwas aus. Gussies »kleine Teegesellschaften« waren festlicher als die der Engländer, und ihr köstlicher hausgemachter Apfelwein war für die ausgelassene Stimmung der Gäste mitverantwortlich.
Alles war vorbereitet. Die Missus hatte sogar Zeit gefunden, ein Damasttischtuch zu besticken und Diamonds Anfangsbuchstaben auf zwei mit Spitze besetzte Kissen zu nähen. Unendlich langsam verstrich die Zeit. Diamond erinnerte sich, daß es immer so war, manchmal wurde die
White Rose
durch Unwetter aufgehalten oder durch das außerplanmäßige Anlaufen eines Hafens, um weitere Ladung aufzunehmen, und so waren sie niemals sicher, wann sie mit dem Käpt’n rechnen konnten. Während dieser Zeit ließen sie sich treiben wie zwei Wolken am Sommerhimmel.
Und dann hatte Diamond einen Traum. Der Kookaburra holte sie, und sie flog mit ihm weit in die Berge und tief in den stillen Regenwald hinein. Auch ihr Stamm mußte dort irgendwo sein. Die Stille zerriß, als sie laut ihren eigenen Namen rief. »Kagari! Kagari!« Sie fühlte die Nähe der anderen, erhielt jedoch keine Antwort. Eine Biene ließ sich zum Ausruhen auf den geöffneten Kelch einer fleischfressenden Pflanze nieder. In Sekundenschnelle schloß sich das moosgrüne Maul, und die Biene saß in der Falle. Diese Bewegung erschreckte Kagari; sie drehte sich um und sah plötzlich den Käpt’n auf sich zukommen. Er ging an ihr vorbei, eine graue Geistergestalt. Sie hatte Angst, ihn zu berühren, ganz im Gegensatz zu der Missus, die mit gerafften Röcken laut schnaufend hinter ihm herpolterte. In dieser Umgebung war sie fehl am Platz; ihre bunten Kleider wirkten grell in diesem grünen Dom.
Auf einmal schrillten die Zikaden, Vögel flatterten auf, und Kagari rief. »Missus, hier bin ich. Missus!«
Die Frau drehte sich um und sah sie an, schüttelte jedoch den Kopf und rannte weiter. Schon hatte sie der feuchte Nebel verschluckt. Und dann verschwand auch der Wald, und Kagari stand mutterseelenallein in einer Wüste; wo sie hinsah, nur ödes, steiniges Land.
Als Diamond noch schlaftrunken und traurig erwachte, stahl sie sich in das Schlafzimmer und setzte sich im Schneidersitz in eine Ecke, um über die Missus zu wachen und andere böse Geister zu vertreiben, denn sie wußte nun, daß der Käpt’n tot war.
Die Männer, die die Nachricht überbrachten, standen mit gesenktem Kopf da. Sie umklammerten ihre Hüte, scharrten mit den Füßen und murmelten Beileidsbezeugungen.
»Sie ist gesunken, Madam. Die
White Rose
.«
»Ein schönes Schiff. War ein feiner Mann, der Kapitän Beckmann. Ja, auf See geblieben.«
»Auf Riff gelaufen. Es heißt, daß es ein Hurrikan war.«
»Woher wir das wissen? Da sind zwei Überlebende, Madam. Zwei Männer haben sich an die Küste gerettet.«
»Es soll vor Cape Manifold gewesen sein. Schlimm. Sehr schlimm.«
»Woher wir das
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