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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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sie kühn und hoffte insgeheim, daß dieser noch am Leben war. »Er ist mein Freund, und er wird dich bestrafen, wenn du mir etwas antust.«
    Diese Worte gaben ihm zu denken. Verunsichert hielt er inne und stieß schließlich einen schrillen Pfiff ähnlich dem eines Vogels aus. Dann warteten sie.
    Wie ein Spuk tauchten nach einer Weile weitere Männer aus dem Busch auf. Alle waren sie bemalt, und manche hatten zum Zeichen ihres Ranges kleine Knochen durch die Nase gebohrt. Erst standen sie nur da und betrachteten Kagari, dann stellten sie sich etwas abseits und tuschelten miteinander. Kurz darauf setzten Kagari und ihre Bewacher ihren Marsch fort.
     
    Sie saß im kühlen Halbdunkel der Höhle, als der Mann am blätterumrankten Eingang auftauchte. Er wirkte noch furchteinflößender als die ohnehin schon wild und bedrohlich dreinblickenden Männer. Sein graues, zu einem Knoten aufgebundenes drahtiges Haar ließ den stechenden, grausamen Blick, den er auf Kagari gerichtet hatte, noch härter erscheinen. Gesicht und Brust wiesen tiefe, von Aufnahmeriten herrührende Narben auf, die durch weiße und gelbe Farbe hervorgehoben wurden. Um die Hüften hatte er einen schmalen Lendenschurz aus Fell gebunden, dicke Schilfgebinde zierten Hand- und Fußgelenke. Als er nähertrat, zeigte er mit seinem langen, stachelbewehrten Speer auf Kagari.
    Um ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen, stand sie auf. Sie hoffte, daß dies Tajatella war, an dessen Aussehen sie sich kaum noch erinnern konnte.
    »Wer bist du?« fragte er, während sich die anderen Männer neugierig in die Höhle drängten.
    »Kagari«, erwiderte sie. »Die Tochter von Wogaburra.«
    Blitzschnell schoß seine Hand vor und schlug Kagari ins Gesicht. »Wie kannst du es wagen, von den Toten zu sprechen! Du bist böse.«
    Benommen von dem Schlag taumelte sie zurück, doch dann trat sie dem Mann mutig gegenüber. »Kagari ist nicht tot. Ich bin Kagari, und ich bin zurückgekehrt.«
    Mit einem Zischen mißbilligten die Zuhörer, daß sie es wagte, dem Häuptling zu widersprechen.
    »Ich war noch ein kleines Mädchen«, erzählte sie und deutete die Körpergröße mit der Hand an, »als ich ins Meer hinausgetrieben und von weißen Männern mitgenommen wurde. An jenem lang vergangenen Tag sind Weiße an die Küste gekommen.« Sie blickte den Häuptling flehentlich an. Plötzlich fiel es ihr wieder schwer, sich in dieser Sprache auszudrücken.
    »Viele weiße Männer sind vom Meer her gekommen«, erwiderte er gereizt. »Du bist ein böser Geist, den die Weißen geschickt haben.«
    »Nein, nein. Sieh mich an. Ich bin Irukandji, von eurem Volk.« Eine rundliche, nackte Frau mit verfilztem Haar wurde nach vorne geschubst. Im ersten Augenblick erkannte Kagari ihre Mutter kaum wieder, dann streckte sie ihr lächelnd die Hände entgegen. »Sag ihnen, daß ich Kagari bin, deine Tochter.«
    Die Frau wich jedoch entsetzt vor ihr zurück und schüttelte den Kopf. Der Häuptling nickte zufrieden. Er entblößte seine Zähne und schrie: »Hinfort mit diesem bösen Wesen!«
    Da kam Unruhe in die Menge, und sie ließ einen anderen Stammesangehörigen vortreten. »Tajatella ist ein großer Häuptling, doch ich habe die besondere Gabe des Gehörs. Ich höre diese Frau sprechen, und ich allein kenne ihre Stimme. Sie ist Kagari, die von den Toten zurückgekehrt ist. Ich kann es beweisen. Wie ist mein Name, Frau?«
    Kagari atmete erleichtert auf. »Du bist Meebal, mein Bruder«, antwortete sie, »dessen Augen vergiftet wurden und erblindeten.« Die Zuhörer zischten und murmelten, teils verwundert, teils erschrocken.
    »Ich bin kein Geist, Meebal«, beharrte sie. »Kein Geist.« Sie hielt es für besser, ihr Auftauchen nun mit etwas anderen Worten zu erklären. »Ich bin von den weißen Männern gefangengenommen worden, als du noch ein Junge warst. Aber nun bin ich ihnen entkommen.«
    Luka, ihre Mutter, tat einige zögernde Schritte auf sie zu. Tajatella war des Gesprächs müde. Schließlich handelte es sich nur um eine Frau.
    »Mag es so sein«, verkündete er und schritt mit seinem Gefolge davon.

3
    N och nie in seinem Leben hatte Lew so entsetzliche Schreie gehört. Als er mit den anderen Goldgräbern hinab zum Fluß lief, kam ihnen ein Pferd entgegen. Panisch raste es direkt auf die Menschen zu. Für den Fall, daß Diamonds Warnung vor den Krokodilen ernstzunehmen war, hatte Lew sein eigenes Lager in einiger Entfernung vom Fluß aufgeschlagen. Ein paar andere Goldgräber lebten hingegen recht

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