Sonnenfeuer
nahe am Ufer.
Da ertönte ein Schuß. Gleich darauf erschien ein Mann zwischen dem Gebüsch am Flußufer. »Gehen Sie nicht runter«, rief er. »Bleiben Sie weg vom Fluß.«
»Was, in Gottes Namen, ist denn passiert?« fragte Lew.
»Es war schrecklich«, antwortete der Mann. »Auf einmal sind diese riesigen Krokodile aufgetaucht und haben sich auf das Pferd von meinem Kumpel gestürzt. Das arme Tier hat furchtbar geschrien, aber wir konnten es nicht retten. Die Bestien haben es im Nu in den Fluß gezerrt, und da hat mein Kumpel ihm den Gnadenschuß gegeben. Das arme Vieh. Diese Biester waren wie im Blutrausch.«
Chin Ying war sehr aufgeregt und betrachtete das Ereignis als böses Omen.
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Lew mit fester Stimme. Er würde nicht zulassen, daß seine Expedition am Aberglauben der Chinesen scheiterte. »Wir müssen einfach aufpassen, wo wir die Pferde anbinden. Ich wußte nicht, daß die Krokodile hier so groß sind, daß sie sogar Pferde angreifen.«
Am nächsten Morgen begann der Aufstieg. Die Gruppe folgte den Markierungen an den Bäumen, die MacMillans Vorhut angebracht hatte. In der Ferne war das unverkennbare Rauschen eines Wasserfalls zu vernehmen. Lew fragte sich, ob es derjenige war, von dem Diamond ihm erzählt hatte. Wo sie wohl geblieben war? In dieser Gegend gab es bestimmt viele Wasserfälle. Vielleicht war sie diesem Pfad gefolgt; er führte allerdings vom Wasserfall weg.
Lew hatte geglaubt, den Marsch in einer Woche bewältigen zu können, aber diese Einschätzung erwies sich als falsch. Der Weg führte sie durch dichten, unwegsamen Regenwald. Am Fuße jedes Hügels mußten sie kleine Flußläufe überqueren, und mit der Zeit wurden die Hügel immer höher und die Flußläufe immer breiter. Nach vier Tagen hatten sie erst neunzig Kilometer zurückgelegt.
»Nach meinen Berechnungen«, bemerkte Ying, »kommen wir zu weit nach Norden ab. Das ist äußerst bedenklich.«
»Der Pfad wurde von erfahrenen Männern markiert«, beruhigte ihn Lew. »Wir können nicht auf eigene Faust losziehen. Wir müssen ihm folgen.«
In dieser Nacht wurden sie zum ersten Mal angegriffen. Von allen Seiten prasselten Speere und brennende Zweige auf sie ein. Es herrschte ein furchtbares Durcheinander. Die Goldgräber schossen blindlings ins Unterholz, da sie keinen der Angreifer sehen konnten. Nach einer Viertelstunde war der Kampf vorüber, doch Lew war es wie eine Ewigkeit erschienen. Ungeachtet der Gefahr nahm er danach eine Laterne und begann, nach Opfern zu suchen. Zwei Goldgräber vom hinteren Teil des Lagers waren getötet und zwei verletzt worden. Auch ein Kuli war tot, und seine Kameraden brachen in lautes Wehklagen aus. Lew machte sich auf die Suche nach den Brüdern Yuan, und zu seiner Überraschung fand er sie in Yings Zelt.
»Was ist denn hier los?« fragte er.
»Der Meister wurde von einem Speer am Arm getroffen, Sir«, erwiderten die beiden. »Ein furchtbares Verhängnis.«
»Wann ist es denn passiert?« Im Schutz der Bäume hatte Lew auf die Angreifer gefeuert und hatte dabei direkt neben Ying gestanden, jedoch keinen Aufschrei gehört. »Laßt mich mal sehen.«
Ying hatte eine tiefe, klaffende Wunde im Oberarm. »Zum Glück«, erklärte er Lew, »wurde der Speer langsamer, als er in meinen Arm drang, der ihm dummerweise in die Quere kam. Ich konnte ihn mit einem heftigen Ruck herausziehen, aber das war äußerst unangenehm.«
»Das glaube ich dir aufs Wort«, bemerkte Lew trocken. »Paß auf, daß sich die Wunde nicht entzündet. Wenn die Jungs fertig sind mit dem Verbinden, schick sie bitte runter, damit sie sich um die anderen Verletzten kümmern.« Nach diesem Zwischenfall verschlechterte sich ihre Lage zusehends. Lew fragte sich, ob ihre Expedition zum Scheitern verurteilt war. Ständig zischten Speere an ihnen vorbei. Fallen aus Schlingpflanzen lauerten auf die Männer und ihre Pferde, und dornige Zweige hingen plötzlich von den Bäumen herab. Kam man mit den Dornen in Berührung, verursachten sie einen äußerst schmerzhaften, brennenden Hautausschlag. Riesige Steine stürzten wie von Geisterhand bewegt auf sie herab. Einmal wurden sie sogar mit Schlangen beworfen, worauf die Pferde durchgingen und auch die Kulis ihre Lasten fallenließen und sich schreiend in den Busch flüchteten.
Überall entlang des Pfades warteten die Schwarzen schon auf sie. Lew stellte verwundert fest, daß Nahrungsmittel im Gebüsch verstreut lagen, die andere Goldgräber dort
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