Sonnenfeuer
weiterziehen. Sie müssen gefangen und bestraft werden, damit dieses schlechte Beispiel nicht Schule macht.« Er befahl, das Lager für die Nacht aufzuschlagen. Am nächsten Morgen schickte er seine beiden Diener los, die den Busch nach den zwei Kulis durchkämmen sollten.
Lew sah, wie sie gegen Mittag zurückkamen und sich mit Ying besprachen. Als Lew nähertrat, verstummte die Unterhaltung plötzlich.
»Sie sind nirgends zu finden«, sagte Ying. »Sie müssen im Schutz der Dunkelheit umgekehrt sein.«
»Und auch ihre Körbe habt ihr nicht entdeckt?«
»Nein, Sir«, entgegnete Yuang Fu.
Erst später fiel es Lew auf, daß die Brüder mittags zurückgekehrt waren, obwohl Ying ihnen befohlen hatte, bis zur Dämmerung zu suchen. Sie befolgten doch sonst immer seine Anweisungen, wunderte er sich.
Als sie am nächsten Nachmittag eine Strecke mit vielen Kurven und Biegungen zurücklegten, verschwanden abermals zwei Kulis, und wieder die letzten zwei. Die Zurückbleibenden drängten sich ängstlich zusammen, spähten in den drohenden Busch und schrien durcheinander. Doch keiner hatte etwas gehört oder gesehen; die beiden Träger hatten sich ebenso in Luft aufgelöst wie die anderen. Die letzten zehn Goldgräber, die noch mit ihnen reisten, packten ihre Bündel und zogen trotz Lews Mahnung, lieber zusammenzubleiben, davon. Sie behaupteten, die Chinesen brächten nur Unglück.
»O mein Gott!« stöhnte Lew. »Jetzt werden die auch noch abergläubisch!«
Chin Ying schien es nichts auszumachen, daß die Goldsucher ohne sie vorausgingen. »Ich glaube nicht, daß es etwas ausmacht«, war seine Ansicht. »Vielleicht greifen die Wilden nun zuerst sie an und lassen uns in Ruhe. Die Schwarzen sind klug, sie spielen mit uns Katz und Maus.« Das war nur allzu wahr, und die ständig lauernde Gefahr zermürbte sie langsam aber sicher. Sie hatten genug damit zu tun, mit den Widrigkeiten des Dschungels fertig zu werden. Insekten plagten sie, Bienenschwärme griffen sie an, Dingos hetzten ihre Pferde, und alle litten unter der mörderischen Hitze. Täglich ereigneten sich Unfälle. Lew war in einem Dornenbusch hängengeblieben; Nacken und Arme brannten ihm wie Feuer. Außerdem hinkte er stark, da er sich in einem Graben den Knöchel verstaucht hatte. Er band seinen Stiefel fester, um den Knöchel zu stützen, und war heilfroh, daß er ein Pferd besaß. Wegen der ständigen Unglücksfälle, der Angst, der unsäglichen Strapazen und des Schlafmangels kam es schließlich auch zu Spannungen zwischen Lew und Ying. Nicht einmal über Kleinigkeiten konnten sie sich mehr einigen. Als Lew verkündete, er wolle den ganzen Busch nach den beiden Kulis durchkämmen lassen, untersagte Ying seinen Männern, an der Suche teilzunehmen.
»Du kannst dich einfach nie entscheiden«, schrie Lew ihn an. »Letztes Mal hast du uns losgeschickt, um sie zu suchen, und jetzt ist es dir gleich, was aus ihnen geworden ist. Schließlich sind es deine Leute, und wir müssen sie finden! Mein Gott, Ying, vielleicht sind sie irgendwo abgestürzt und warten auf Rettung!«
»Es wird keine Suche geben.« Yings Stimme war fest. »Wir gehen weiter.«
»Den Teufel werden wir tun! Gib mir deine Männer, nur für einen Tag. Wir werden gemeinsam den Busch durchkämmen. So finden wir sie vielleicht.«
»Nein.«
»Dann erzähle ich den Kulis, was für ein schlechter Herr du bist. Daß es dir gleichgültig ist, was aus ihnen wird. Ich bitte sie selbst um Hilfe.«
»Mit deinem verletzten Knöchel kannst du ohnehin nicht weit gehen.«
»Das kann ich sehr wohl, und ich werde es auch.«
Ying seufzte und winkte die Brüder Yuang herbei, die in der Nähe standen. »Ihr könnt euch zusammen mit dem Herrn Kapitän auf die Suche nach unseren verlorenen Brüdern machen.« Dann wandte er sich wieder an Lew. »Nur meine Diener dürfen dich begleiten, sonst niemand. Aber zuerst sollten wir Wachen rund ums Lager aufstellen.«
»Aber sicher«, antwortete Lew höhnisch. »Bevor wir aufbrechen, kümmere ich mich darum, daß du auch bestimmt gut bewacht wirst.«
Schwer bewaffnet machten sich die drei Männer auf den Weg. Immer weiter dehnten sie ihre Suche aus, bis Yuang Pan sie schließlich entdeckte. Anstatt, wie verabredet, einen Schuß abzugeben, kehrte er schweigend zu Lew zurück und führte ihn zu einer kleinen Lichtung vor einem Höhleneingang. Yuang Fu folgte ihnen. Keiner der Brüder sagte ein Wort, als Lew voller Entsetzen auf das Bild starrte, das sich seinen Augen bot.
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