Sonnenfeuer
war Walter vor vier Jahren an Herzschwäche gestorben, was angesichts seines Lebenswandels niemanden wunderte. Walter war derjenige gewesen, der sie auf dem Schiff vor einer Fahrt im Zwischendeck bewahrt hatte, indem er sie für die lange Fahrt von London nach Sydney in seine Kabine holte. Bis zu einem gewissen Punkt hatte sie es gut bei ihm gehabt, zum Beispiel hatte er ihr eine hinreißende Garderobe gekauft. Da er verheiratet war, hatte er sie als seine Geliebte in seinem Haus in Potts Point untergebracht. Sie hätte sich keinen besseren Anfang in Sydney wünschen können, mit dem Geld, das er ihr gab, und der Möglichkeit, als Lady aufzutreten, worin er sie auf der viermonatigen Fahrt unterwiesen hatte. Aber dann tauchten Walters Freunde auf, die Walter selbst ermuntert hatte, sich ebenfalls an seiner Geliebten zu erfreuen. Cornelia hatte sie alle rausgeworfen. Für diese Kerle war sie, Cornelia Crabtree – so ihr Mädchenname –, für alles Geld der Welt nicht zu haben. Denn jeder Narr wußte, wenn ein Mann erst einmal seine Freunde an die Geliebte heranließ, waren ihre Tage gezählt. Glücklicherweise hatte sie ungefähr zu dieser Zeit bei einem Pferderennen Teddy Buchanan kennengelernt. Ihn hatte sie glauben lassen, sie wohne bei einer alten Tante. Teddy war ganz hingerissen von dieser gutgekleideten rothaarigen Schottin, und so bat er um ihre Hand. Sie sollte ihn nach Brisbane begleiten, wo er über einen Landkauf im Norden verhandelte. Mit Teddy, diesem großen, lässigen und immer fröhlichen Mann, war gut auszukommen. Nachdem sie in Brisbane geheiratet hatten, waren sie hinaus auf seinen Besitz gezogen. Schön war der Anfang nicht, doch es war unglaublich, was ein Mann alles schaffen konnte. Teddy hatte diese Wildnis doch tatsächlich in eine riesige Rinderfarm mit beinahe zwanzigtausend Stück Vieh verwandelt. Sie liebte ihr Haus und war glücklich mit Teddy. Nichts schien ihm wirklich Sorgen zu bereiten, und deshalb mußte man ihn einfach mögen. Nur zu gern hätte sie allerdings gewußt, was Walter gesagt hatte, als er in das Haus in Potts Point kam. Sie hatte sich nicht von ihm verabschiedet. Das Haus hatte sie vom Boden bis zur Decke geschrubbt und gewienert – aber die ganze Einrichtung in seinem Namen verkauft. Damit wollte sie ihm heimzahlen, daß er seine Saufkumpane auf sie losgelassen hatte.
War es nicht eine Schande, daß der arme Walter nun tot und begraben war und sie als die Herrin von Caravale lebte?
Cornelia schlug das Buch auf, die Heldin Gwendoline war ein armes Waisenkind, dessen Eltern gerade im Armenhaus gestorben waren und das nun ganz allein in der Welt stand … Cornelia warf einen kurzen Blick auf die letzten Seiten. Gut, ein Happy End, das gefiel ihr. Endlich konnte sie sich dem Buch widmen.
Da klopfte es an der Vordertür. Verärgert legte Cornelia das Buch beiseite und ging in die Halle. Mit einem Blick vergewisserte sie sich, daß Teddys geladenes Gewehr an seinem Haken an der Garderobe hing. Auf einer abgelegenen Farm wie dieser mußte man immer auf der Hut sein; jeder Fremde, ob schwarz oder weiß, konnte gefährlich werden.
Der Besucher war ein bärtiger Viehtreiber, doch mehr als einen schwarzen Schatten vor dem grellen Sonnenlicht konnte sie nicht erkennen.
»Haben Sie nicht das Schild am Tor gesehen?« fragte sie ärgerlich. »Darauf steht, daß der Zutritt verboten ist. Die Unterkünfte der Viehtreiber sind hinter dem Haus.«
Aber dieser Kerl machte keinerlei Anstalten, ihre Anweisung zu befolgen. »Sachte, Missus, ich wollte mich eigentlich mit Ihnen unterhalten.«
»An Unterhaltung wird es Ihnen kaum fehlen, wenn mein Mann herausfindet, daß Sie hier am Haus herumlungern.« Dafür würde sie schon sorgen.
»Kein Grund, unhöflich zu werden. Ein paar nette Worte tun niemandem weh.«
Sie wollte die Tür zuknallen, aber er stemmte sich mit der Hand dagegen. »Komm schon, Nellie, du wirst doch einen alten Freund nicht vor der Tür stehen lassen.«
»Ich kenne Sie nicht«, keuchte sie. Niemand in diesem Land hatte sie je Nellie genannt. Niemand.
»Was, du erinnerst dich nicht an deinen Alten, Nellie Bunn? Ich bin’s, Clem. Erkennst du mich nicht?«
»Ich habe noch nie von Ihnen gehört«, log sie, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte.
»Na, na! Versuch bloß nicht, mir hier was vorzuspielen. Ich habe lange genug gebraucht, um dich aufzuspüren, und jetzt wirst du mich nicht so schnell wieder los. Du läßt mich also besser
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