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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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ihn die Erinnerung aufwühlte.
    «Und was ist mit Bosnien?», fragte ich, um ihn abzulenken.
     
     
In Bosnien-Herzegowina war die Situation 1991 ebenfalls in stabil. Die Bos nia ken spielten mit dem Gedanken eines eigenen Staates, während die Kroaten der westlichen Herzegowina sich dem neuen kroati schen Staat anschliessen wollten. Die Serben liessen die Situation schliess lich aus dem Ruder laufen , als ihre Abgeordneten im Oktober 1991 das bosni sche Parlament in Sarajevo verliessen und eine eigene Volksversammlung bilde ten. Als Reaktion darauf riefen die bosnischen Kroaten im November 1991 die Hrvatska Republika Herceg-Bosna aus . Im Januar 1992 folgten die Serben und proklamierten eine eigene bosnisch-serbische Republik, aus welcher wenig später die Republika Srpska entstand. Schliesslich rief das bos ni sche Parlament im Anschluss an ein durch die Serben boykottiertes Referen dum Anfang März 1992 die Unabhängigkeit der Republik Bosnien und Herzegowina aus. Kurz darauf eskalierten die Spannungen und der Bosnien krieg begann.
Einen knappen Monat später starteten die Serben eine Grossoffensive gegen die bosnische Hauptstadt Sarajevo. Als Erstes wurde Anfang April der inter nationale Flughafen im Vorort Ilidža eingenommen. In den Monaten zuvor hatte die JNA starke Kräfte in den Hügeln um die Stadt zusammen gezogen, von denen ein Grossteil der neuen Armee der bosnischen Serben, der Vojska Republike Srpske oder kurz VRS, übertragen wurden. Anfang Mai begann die VRS dann mit einer vollständigen Blockade der Stadt. Alle Haupt strasse n, die in die Stadt hinein führten, wurden geschlossen , Hilfs liefe rungen mit Essen und Medikamenten zurück gehalten und die Wasser- und Elektri zitäts ver sorgung gekappt. Die Situation der Menschen in der Stadt wurde zu nehmend verz w eifelter. Als Reaktion darauf gruben die Verteidiger zwischen Januar und Mai 1993 einen Tunnel unter den ser bischen Stel lun gen hindurch, der nach seiner Fertigstellung jede Nacht von durchschnittlich vier tausend Menschen benutzt wurde, die so täglich rund zwanzig Tonnen Hilfs güter in die Stadt brachten. Tagsüber war die Benutzung zu gefährlich.
Im Verlauf der anfänglichen Offensive wurden mehrere Stadtteile mit vorwiegend serbischer Bevölkerung eingenommen. Nachdem jedoch Ver suche gescheitert waren, die restliche Stadt im Handstreich zu nehmen, beschränk ten sich die besser ausgerüsteten, aber zahlenmässig unter legenen An greifer darauf, die Verteidiger durch permanenten Artillerie beschuss aus über zweihundert vorbereiteten Stellungen und mittels der syste matischen Tötung von Zivilisten durch Heckenschützen zu demoralisieren. Während der fast vierjährigen Belagerung schlugen pro Tag im Schnitt über dreihundert Granaten in Sarajevo ein. Die Allee Zmaja od Bosne , die Haupt ver kehrs achse durch Sarajevo, auf der sich die einzige Quelle sauberen Wassers in der Stadt befand, wurde so gefährlich, dass sie von ausländischen Journa li sten den Übernamen Sniper Alley , also Heckenschützenallee, erhielt. Ende des Krieges wurde geschätzt, dass über tausend Menschen durch Hecken schützen verwundet und 225 getötet worden waren, davon sechzig Kinder. Ins gesamt kostete die Belagerung mehr als elftausend Menschen das Leben und über fünfzigtausend wurden verwundet.
     
     
    «Unglaublich», sagte ich erschüttert.
    «Ja, und das war nur die Hauptstadt», erwiderte Ivica.
    «Die Serben kämpften also gegen die Muslime und die Kroaten?»
    «Nein, so einfach ist das nicht», entgegnete er . «Die bosnischen Kroaten waren zwar anfänglich mit den Bosniaken gegen die Serben verbündet, aber das ging 1992 in die Brüche, weil die Kroaten versuchten, ihr Gebiet gewaltsam zu erweitern.»
    «Die Moslems führten also einen Zweifrontenkrieg?»
    «Manchmal, manchmal nicht. Und das ist nicht alles. Zeitweise kämpften in Bihać – das ist eine Enklave in Westbosnien – sogar bosniakische Regierungs ein heiten gegen bosniakische Separatisten.»
    «Was? Weshalb?»
    «Die Enklave wurde lange belagert und der Anführer der Verteidi ger, ein Typ namens Fikret Abdić – genannt Babo – wollte mit den Ser ben einen Separat frieden abschliessen.»
    «Klingt irgendwie logisch und nachvollziehbar.»
    Ivica hustete. «Nichts im Balkan ist logisch und nachvollziehbar.»
    «Die VRS war also die grösste der drei Streitkräfte?»
    «Insgesamt schon, mit rund hundertdreissigtausend Soldaten gegenüber je etwa fünfzigtausend Mann bei den

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