Sonnenfinsternis: Kriminalroman
eigentlich sowieso kriminelle Banden. Der Krieg war halt einfach eine Gelegenheit für sie, sich auszutoben und Zaster zu machen, ohne vom serbischen Staat verfolgt zu werden.»
«Und nach dem Krieg?»
«Ehrlich gesagt, da bin ich auch leicht überfragt. Die meisten existierten im Nachkriegsserbien weiter. Aber irgendwann wurden sie sogar der serbischen Regierung peinlich. Arkan wurde ja dann auf mysteriöse Weise ermordet, so wie auch mehrere der anderen grossen Gangster bosse.»
Ich nickte. «An die Geschichte mit Arkan erinnere ich mich.»
Kürzlich hatte ich in Newsweek einen Artikel darüber gelesen. Nach dem Krieg war Arkan zu einem von Serbiens grössten Gangsterbossen aufgestiegen. Dann hatte ihn das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen in Bosnien und im Kosovo angeklagt, und Gerüchten nach war er im Tausch gegen Strafminderung zu einer Aussage über die Hintermänner bereit gewesen. Bevor es aber dazu kommen konnte, war er im Januar 2000 zusammen mit zwei Leibwäch tern in der Lobby eines Belgrader Hotels erschossen worden. Die mutmaßlichen Täter waren danach zwar wegen Mordes angeklagt und in insgesamt drei Prozessen verurteilt worden , aber eine höhere Instanz hatte die Urteile jedesmal aufgehoben und die Täter wegen Mangels an Beweisen freigelassen. Im Artikel war die Vermutung geäussert worden, dass das Regime um Milošević ihn hatte beseitigen lassen , weil er zu viel über dessen Verstrickungen in die ethnischen Säuberungen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo wusste.
«Weisst du», fuhr Ivica fort, «der Zusammenbruch des alten Jugo sla wiens hat überall die schlimmsten Elemente an die Spitzen der Nach folge staaten gespült.»
«Und was passierte mit den ganzen Mörderbanden nach dem Krieg?»
«Einige lösten sich auf , nachdem ihre Führer wegen Kriegsver brechen angeklagt worden waren. Andere gingen in den offiziellen Staats dienst über, wie zum Beispiel die Roten Barette, die zu einer ge fürch te ten Sondereinheit der serbischen Geheimpolizei wurden. Man geht davon aus, dass der Sturz Miloševićs und der anschliessende Re gime wechsel in Belgrad erst durch den Seitenwechsel ihrer Anführer über haupt möglich wurden. Aber es ist alles ziemlich verworren wegen der damaligen Geheimniskrämerei.»
«Und Arkans Leute?»
«Die ‹ Serbische Freiwilligengarde › wurde Anfang 1996 offiziell aufgelöst, wenn ich mich recht erinnere. Allerdings war sie im Kosovo-Krieg wieder aktiv. Arkan selbst hat sich im gleichen Jahr einen Zweitligaklub gekauft und damit nur zwei Jahre später die jugo slawi sche Meisterschaft gewonnen.»
«Beeindruckend», meinte ich ironisch.
Ivica nickte und meinte: «Ich habe mal gelesen, dass die Spieler anderer Klubs bedroht wurden, wenn sie gegen Arkans Mannschaft Tore schossen. Der Top scorer eines anderen Teams wurde sogar mal in einer Garage eingesperrt, als sein Klub gegen den von Arkan spielte. Während der Heimspiele und sogar während der Auswärtsspiele haben jeweils tausende von seinen Veteranen die Stadionränge besetzt und drohende Sprechchöre gesungen. Oft sollen sie mit Pistolen auf die gegneri schen Fans und manchmal sogar Spieler gezielt haben.»
«Das passt irgendwie, nicht ?»
«Ja, allerdings . Eigentlich wussten schon damals alle, dass Arkan in Schutzgelderpressungen und Schmuggel verwickelt war. Sogar in Zagreb habe ich Geschichten darüber gehört. Mit dem damit zusammen ge rafften Geld versuchte er sich eine bürgerliche Fassade aufzubauen und besass bald alles Mögliche, von Kasinos und Discos über Bäckereien und Restaurants bis hin zu Fitnessstudios und sogar einer privaten Sicherheitsfirma. Aber eben, er war unantastbar. Er hatte Verbindungen in die höchsten Kreise des serbischen Staates. Und natürlich war er für viele Serben ein Kriegsheld…»
«Wie bitte?» Ich war schockiert.
«Ja, im Ernst. Der grosse Verteidiger der serbischen Nation. Dass sie vor allem gegen Zivilisten ‹kämpften› und bei den ersten richtigen Gefechten gegen die bosnische Armee im Herbst 1995 furchtbar auf die Fresse kriegten, interessierte die Öffentlichkeit nicht gross. Ausserdem liess er sich 1994 von seiner ersten Frau scheiden und heiratete im Frühling 1995 eine der bekanntesten Sängerinnen Serbiens.» Er grunzte verächtlich. «Sie war nur einundzwanzig Jahre jünger als er.»
«Wie überraschend.»
«Ja, nicht wahr? Die zwei gehörten die nächsten Jahre zur A-Promi nenz des Landes. Nach Arkans Tod wurde seine
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