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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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wichtig.»
    «Sie arbeiten?», fragte ich erstaunt.
    «Nicht hier, aber vor dem Krieg in Bosnien. Ich war… wie sagt man… eine Frau, die arbeitet mit Blumen…»
    «Floristin?»
    «Das Wort kenne ich nicht. Aber dann ja, Floristin. Ich bin Floristin in Bosnia.»
    Das war die erste persönliche Bemerkung, die ich ihr bisher hatte entlocken können. Der Wutanfall schien eine Barriere geöffnet zu haben. Ich beschloss, auf unser eigentliches Gesprächsthema zurück zu kommen.
    «Frau Hasanović…»
    «Jasmina.»
    «Also, Jasmina , um nochmals auf unser Thema von vorhin zurückzu kommen: Sie… ich meine, du hast also nie wirklich gesehen, wer in diesem Gebäude in Oerlikon wohnt? Oder in welche Wohnung Mujo jeweils hineinging?»
    Sie schüttelte bedauernd den Kopf. «Nein, hab ich nicht. Ich hab nur immer von weit hingeschaut.»
    Sie schien sich erholt zu haben, und das informelle ‹Du › störte sie offen sichtlich nicht. Das war mir recht, und die Zwischenstufe, sich zwar mit Vornamen anzureden, aber weiterhin beim formellen ‹Sie › zu bleiben, war in der Schweiz sowieso nicht üblich.
    «Schade», antwortete ich, «aber immerhin.» Ich wartete, bis sie uns Kaffee nachgeschenkt hatte und fragte dann: «Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?»
    Sie überlegte kurz und meinte dann bedauernd: «Nein, leider nicht.»
    Eine letzte Sache wollte ich noch ansprechen. «Jasmina, kannst du mir mehr über Imam Kulenović erzählen?»
    Es war, als schaute man einer Weinbergschnecke dabei zu, wie sie sich in ihr Gehäuse zurück zog . Ich konnte richtiggehend zusehen, wie Jasmina Hasanović wieder ihre übliche Abwehrhaltung einnahm. Das offene Lächeln gefror in ihrem Gesicht und ihre traurigen Augen begannen nervös zwischen mir und ihren Filzpantoffeln hin- und herzuwechseln. Leise antwortete sie: «Was willst du wissen?»
    «Wie ist er so als Mensch?»
    «Gut.»
    Das war nicht gerade eine erschöpfende Auskunft. Ich versuchte es anders: «Weisst du, wo er herkommt?»
    «Bosnien.»
    «Ist er schon lange hier?»
    «Ja, schon vor dem Krieg.»
    «Siehst du ihn oft?»
    «Sicher. Ich gehe oft zum Džemat . Er ist der Imam.»
    «Mochten sich Mujo und er?»
    Sie war nun so weit zurück in ihrem Schneckenhaus, dass sie nur noch trotzig auf ihre Füsse starrte. Ihre Wangenknochen waren leicht gerötet. Ausweichend antwortete sie: «Mujo ist kein einfacher Mann. Mahir hat probiert ihn… wie sagt man… beziehen…»
    «Einzubeziehen?»
    « Da . Einzubeziehen. Im Džemat . Aber Mujo ist ein stiller Mann und wie eine Nuss…»
    Ich war nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte. «Nuss? Wie meinst du das?»
    «Nuss… hart aussen… man weiss nicht, was ist drin.»
    «Er hatte eine harte Schale? War er unzugänglich?»
    «Ja. Niemand weiss, was unter seiner Schale ist.»
    «Nicht einmal du?»
    Ihr Gesicht nahm einen traurigen und gleichzeitig verlegenen Ausdruck an. «Nicht einmal ich.» Dann fügte sie fast entschuldigend hinzu: «Der Krieg hat ihn kaputt gemacht.»
    «Aber der Krieg ist lange her.»
    «Weiss ich. Aber ist so.»
    «War er traumatisiert?»
    «Was bedeutet das?»
    «Hatte er wegen des Krieges psychische Probleme? Depressionen? Gewalt aus brüche? Oder physische Symptome? Kopfschmerzen, so was?»
    Sie überlegte kurz. «Er war einfach immer traurig. Immer. Nie fröhlich. Immer nur traurig.»
    «War er in Behandlung?»
    «Bei einem Doktor?»
    «Bei einem Psychologen oder allenfalls Psychiater?»
    Sie schaute mich etwas verwirrt an. Der Unterschied schien ihr nicht ganz klar zu sein. Aber sie antwortete: « Da . Ich glaube schon. Vor vier oder fünf Jahren hat er einmal gesagt , er will das. Dann hat er nie mehr etwas dazu gesagt. Aber er hat mit Mahir geredet und Mahir hat ihm eine Adresse gegeben.»
    «Woher weisst du das?», fragte ich erstaunt.
    Sie schwieg verlegen. Ich nickte innerlich. D er Imam hatte es ihr also erzählt.Das erstaunte mich nun doch . Wenn Mujo es seiner eigenen Ehefrau nicht erzählen wollte, so schien es mir nicht angebracht, dass der Geistliche, den er im Vertrauen um Rat gebeten hatte, dies tat. Es gab eindeutig eine ziemlich enge Verbindung zwischen Jasmina und Kulenović. Ich hatte noch keine Ahnung, welcher Art sie war, aber sie war da.
    Ich blickte sie an. «Wie ist es bei dir? Was hast du im Krieg erlebt?»
    Ihre Miene wurde abweisend und hart. Ich konnte sehe, dass sie erneut mit den Tränen kämpfte, als sie antwortete: «Darüber will ich nicht sprechen.»
    «Hast

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