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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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dass in erster Linie die Eisprinzessin nicht gerne mit fremden Männern sprach. Ich fühlte mich irgendwie belogen und benutzt und reagierte dement sprechend unwirsch. «Wissen Sie, ich hätte mir einige Umtriebe sparen können, wenn ich gewusst hätte, dass ich Sie direkt fragen kann. Gerade bei den Gesprächen mit dem Imam hätten Sie ruhig etwas mehr bei tra gen können.»
    Sie sprach so leise, dass ich sie kaum hörte. «Ja, aber das ist… wie sagt man… Mannsache?»
    «Männersache», korrigierte ich sie automatisch.
    «Männersache.»
    Ich hatte den Verdacht, dass meine Mutter diese Einstellung nicht gutge heis sen hätte. Andererseits war ich nicht hierher gekommen, um der Frau Vorwürfe zu machen. Ich stand auf und betrachtete eines der Fotos an der Wand. «Sind das Ver wandte von Ihnen?»
    « Da. Meine Eltern und ihre Geschwister.»
    Das Wort ‹ da› hatte ich schon von Alenka Sanader gehört, und ich nahm an, dass es auch auf B osnisch ‹Ja › bedeutete. «Leben sie in Bosnien?»
    Sie schaute mich ausdruckslos an. «Sie leben nicht mehr.»
    Entgeistert fragte ich: «Was, alle?»
    « Da .»
    «Das tut mir sehr leid.»
    Immer noch hatte ihr Blick diese irritierende Leere, als sie antwortete : « Das ist lange her.»
    Ich zeigte auf eines der anderen Bilder, auf denen ein fröhlicher junger Mann in weissem Hemd und schwarzer Weste vor einem orien talisch aussehenden Haus abgebildet war. «Ihr Bruder?»
    Sie nickte. «Senad.»
    «Sehen Sie ihn manchmal?»
    «Nein.»
    «Oh, das ist schade. Was macht er denn?»
    «Verschwunden im Krieg.»
    D as Thema war das reinste Mienenfeld . Ich kam mir ungewöhnlich unbe hol fen vor. Andererseits war es für meine Begriffe seltsam, dass in der ganzen Wohnung keinerlei sonstige Erinnerungsstücke aus Bosnien zu finden waren ausser dieser Galerie der Toten. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und so sagte ich wieder einmal nichts und schaute mich stattdessen weiter um. Dabei fiel mir etwas auf: Es gab keine Spuren von Mujo Hasanović in diesem Wohnzimmer. Keine Fotos, keine An den ken, keine Bücher. Kein e Hinweis e auf seine Vorlieben und Abneigungen, seine Hoffnungen und Ängste. Nichts. Es war, wie wenn er gar nie hier gewohnt hätte.
    Schliesslich wurde auch der Eisprinzessin die ungemütliche Stille zu viel und sie lud mich mit einer Handbewegung ein, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Dann verschwand sie in der Küche und kam kurz darauf mit einem kleinen Tablett zurück, auf dem zwei kleine weisse Porzellan tassen ohne Henkel und ein dampfendes, sich nach unten weitendes Kupferkännchen mit langem schmalem Metallgriff standen. Ohne zu fragen, ob ich wollte, schenkte sie uns beiden ein.
    Ich bedankte mich, probierte einen Schluck und machte eine ver zückt e Miene . Dabei musste ich nicht gross schauspielern. Bosnischer Kaffee schmeckte für mich genau wie arabischer. Mein Zuspruch schien der Hasanović sichtlich zu gefallen.
    Ich beschloss, nochmals einen Anlauf zu nehmen, um ein paar per sön liche Dinge über sie zu erfahren. Unverblümt frage ich: « Sagen Sie, v er missen Sie Ihre Heimat?» Nach einer kurzen Pause fügte ich als Nach gedanke hinzu: « W oher stammen Sie eigentlich?»
    Sie schwie g so lange, dass ich dachte, sie würde gar nicht mehr antworten , aber s chliess lich sagte sie leise: «Ja, natürlich vermisse ich Bosnia , jeden Tag.» Ihre Augen erhielten einen eigentümlichen Glanz. «Ich komme aus einem kleinen Dorf in Zentralbosnien namens Vitez. Nicht weit von Sarajevo.»
    «Und ihr verstorbener Mann?»
    «Gleiche Region, aber noch näher an der Hauptstadt.»
    So ging das noch einige Minuten weiter. Ich stellte Fragen, und sie wich ihnen aus. Schliesslich beschloss ich, zum Kern der Sache vorzudringen. Ich räusperte mich, schaute ihr direkt in die Augen und fragte: «Frau Hasanović, weshalb haben Sie mich hierher bestellt?»
    Wieder sagte sie nichts. Stattdessen starrte sie auf ihre grünen Filzpantoffeln und kaute dazu nervös auf ihren Fingernägeln herum. Ich schwieg ebenfalls. Sie schwieg noch ein bisschen mehr. Nach einer Weile hatte ich genug und räusperte mich erneut. «Frau Hasanović?»
    Plötzlich begann sie aus heiterem Himmel zu weinen. Es war wie ein innerer, unsichtbarer Wolkenbruch. Nur ihre zuckenden Schultern und die Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, wiesen darauf hin.
    Erschrocken starrte ich sie einen Moment lange entgeistert an. Was sollte ich tun. Trösten? Ja, aber wie? Den Arm um sie legen? Sie schien mir

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