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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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gleichen Grund wie den ersten Kerl : Auch er rauchte . Ich befand mich ungefähr in der Mitte zwischen beiden und war vorläufig gefeit davor, von ihnen entdeckt zu werden – sofern keine zusätzliche Patrouillen im Wald waren .
    Als nächstes nahm ich Rappolders Waldhütte näher unter die Lupe. Die Bezeichnung ‹Hütte› war allerdings etwas irreführend, da sie in Form und Aussehen eher einem kleinen Haus entsprach, zweistöckig und offensichtlich aus mehreren Räumen bestehend. Davor befand sich ein kleiner Kiesplatz, auf dem jetzt die ganzen Autos der Skins parkiert waren , dahinter eine grosse Feuerstelle mit kreisrund darum herum angeordneten Fackelständern aus Gusseisen. Das Ganze sah aus wie die Miniversion eines SS-Kultusplatzes .
    Der Regen liess allmählich nach. Ich hatte ein Problem: Von meinem momen ta nen Standort aus konnte ich nicht sehen, was in der Hütte vor sich ging, weil die mir zugewandte Fassade nur im oberen Stockwerk ein kleines Dachfenster hatte. Das erklärte auch den Standort der Wachtposten.
    Ich überlegte kurz. Nach dem ganzen Aufwand war es absolut unbe friedi gend, ohne einen Blick in den Versammlungsraum wieder abzuziehen. Andererseits wollte ich definitiv nicht entdeckt zu werden . Ich kroch zurück in die Tiefe des Waldes,  umging den linken Posten weiträumig und schlich mich dann zwischen ihm und den Glatzköpfen am Checkpoint auf der Zufahrtsstrasse langsam und vorsichtig wieder an den Waldrand. Dort angekommen legte ich mich auf den Bauch und kroch langsam vorwärts, bis ich ungestört durch die zwei grossen Fenster auf dieser Seite der Hütte in eine Art Versammlungsraum hineinblicken konnte. Er war hell erleuchtet, und so steckte ich das Nachtsichtgerät in meinen schwarzen, wasserfesten Rucksack und kramte vorsichtig mein Fernglas hervor.
    Was ich nun sah, entsprach so gar nicht dem Bild der wilden, von rassisti schem Grölrock untermahlten Bierparty, welches Neumann gezeichnet hatte. Eher wirkte es wie die Versammlung einer Dorfpartei. Auf einem kleinen Cam ping tisch in der Mitte des Raumes stand ein Laptop, daneben ein erregt gestiku lie ren der Rappolder vor einer Schar aufmerksamer Glatzköpfe. Hinter ihm projizierte ein Beamer eine Traktandenliste an die Wand. Er zeigte mit einem metallenen Zeigestab auf einen Punkt in der Mitte und sagte etwas, das sein Publikum mit wildem Gelächter und Schenkelklopfen zu quittieren schien. Hören konnte ich natürlich nichts. Das Ganze hatte den surrealen Charakter alter Stummfilme.
    Ich zählte sechsundzwanzig Zuhörer, welche alle auf in Konzert be stuh lung angeordneten Klappstühlen sassen. Zu meiner Überraschung waren darunter auch drei Frauen. Diese unterschieden sich nur dadurch von den Männern, dass sie statt einer Glatze kurz geschorene Haare mit zwei langen Strähnen auf beiden Seiten des Kopfes trugen. Ansonsten waren alle, Männer und Frauen, gleich gekleidet: Jeans, Springerstiefel und schwarze T-Shirts. An der Wand hing eine ganze Anzahl grüner Bomberjacke n .
    Plötzlich trat Rappolder ans Fenster und schaute theatralisch hinaus. Ich zog unwillkürlich den Kopf ein wenig ein, obwohl er mich keinesfalls sehen konnte. Auf der Brust seines schwarzen T-Shirts prangte ein weisser Schriftzug: ‹ RaHoWa! ›
    Nach ein paar Sekunden drehte er sich wieder um und ging zum Lap top hin. Er fummelte daran herum und sagte dann etwas zu seinen Zuhörern, worauf einer das Licht löschte. Kurz darauf veränderte sich das Bild an der Wand, und das Schwarzweissfoto einer Steintafel erschien. Gerade, als ich mich fragte, was das wohl sein sollte, erschienen plötzlich wie von Geisterhand grosse Buchstaben auf der Steintafel: Am 5. September 1934… 20 Jahre nach Ausbruch des Weltkrieges… 16 Jahre nach dem Anfang deutschen Leidens… 19 Monate nach dem Beginn der deutschen Wiedergeburt… flog Adolf Hitler wiederum nach Nürnberg, um Heerschau abzuhalten über seine Getreuen.
    Nun wusste ich, worum es sich handelte: Triumph des Willens von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Statt Rechtsrock zu hören und Bier zu saufen veranstaltete Rappolder also Indoktrinationsseminare mit Hilfe von natio nal sozialistischer Propaganda. Ich spuckte unwillkürlich auf den Boden. Neumann hatte absolut Recht, der Kerl war nicht einfach einer der üblichen dahergelaufenen Rassistens chläger.
    Mittlerweile war ich bis auf die Knochen durchnässt, völlig ver schlammt und kurz davor, am Boden anzufrieren. Ausserdem wuchs die Gefahr,

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