Sonnenfinsternis: Kriminalroman
dass ich entdeckt wurde, mit jeder Minute. Ich beschloss daher , die Sache für heute auf sich beruhen zu lassen und schlich vorsichtig zu meinem Wagen zurück. Dort angekommen stieg ich ein, startete den Motor und fuhr schnurstracks nach Hause zu meinem Kater, einer warmen Dusche und einem feinen Glas Single Malt.
Kapitel 15
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Sehr früh. Ich gewährte Neumann daher noch eine Gnadenfrist und machte mir zuerst eine Kanne Kaffee, bevor ich ihn anrief. Beim neunten Klingeln hob er ab und sagte schlaftrunken und hörbar verärgert: «Hallo?»
«Van Gogh hier, Gunnar. Tut mir leid, dass ich dein Angebot, dich jederzeit anzurufen, so wörtlich nehmen muss.»
«Van Gogh? Verdammt nochmal, weisst du, wie spät es ist?»
Immer die gleiche Frage, wenn man jemanden in aller Hergottsfrühe aus dem Bett holt. «Zeit für eine Frage, die nicht warten kann», antwortete ich. «Wie gesagt, sorry, Gunnar.»
Ich hörte ein Rascheln im Hörer und schloss daraus, dass er sich aufgesetzt hatte oder aufgestanden war. Sein Ton fall änderte sich und er klang plötzlich wach. « Na schön . Also, w as gibt’s denn so d ringendes?»
«Sagt dir ‹RaHoWa› etwas? Ich weiss nicht, ob es ein Ausdruck oder eine Abkürzung ist.»
«Ja, klar. Es ist eine Abkürzung. Steht für ‹Racial Holy War› und kommt aus der amerikanischen White-Power- Szene. Weshalb willst du das wissen?»
«Ich war gestern Zaungast bei einem Indoktrinationsseminar der Aktion Mjölnir . Rappolder trug den Spruch auf seinem T-Shirt.»
Neumann schnäuzte sich geräuschvoll. Dann fragte er ungläubig: «Du warst was ?»
Ich erzählte ihm in raschen Zügen die Ereignisse des Vorabends. Er hörte schweigend zu. Als ich fertig war, meinte er: «Davon höre ich zum ersten Mal. Aber es passt zum Bild, dass wir von diesem Kerl haben.»
Obwohl Neumann das natürlich nicht sehen konnte, nickte ich auto matisch zustimmend. Das war ein kleiner Tick von mir. Dann fielen mir zwei weitere Fragen ein. «Du, noch was. Ist Rappolder oder einer seiner Mitläufer militärisch ausgebildet worden ?»
«Keine Ahnung. Wieso fragst du?»
Ich ignorierte die Gegenfrage und fuhr fort: «Ausserdem waren bei der Versammlung auch ein paar Frauen. Was hältst du davon? Ist das üblich?»
« Feathercut ? Ich meine, kurze Haare, zwei lange Strähnen auf der Seite, sonst angezogen wie die Männer?»
«Ganz genau.»
«Ist nicht ungewöhnlich. Frauen in der Skinszene sind recht ver breitet. Bei den Antirassisten hat’s mehr, aber auch bei den Naziskins kommen sie vor. In der Szene werden die Skingirls ‹Renees› genannt.»
«Renés?»
«Nicht René , sondern Renee . Der englische Frauenname. Woher das kommt, weiss ich jetzt auch nicht, aber das kannst du sicher im Internet rausfinden, wenn’s wichtig ist.»
«Ist es nicht , denke ich .»
« Und w as hast du jetzt vor?»
«Den Stier bei den Eiern packen.»
«Heisst das nicht ‹bei den Hörnern›?»
«Wenn du meinst.»
Er lachte. Dann wurde sein Tonfall ernst, als er eindringlich sagte: «Hör mal, van Gogh, mach einfach nichts Unüberlegtes. Das klingt jetzt zwar reichlich dramatisch, aber zumindest im Ausland sind schon mehrfach Leute verschwun den, die den falschen Nazistier an den Eiern packen wollten.»
«Keine Angst, ich bin nicht auf Ärger aus, ich suche nur ein paar Antworten.»
«Ärger wirst du sicher einfacher finden. Viel Glück!»
Nach dem Gespräch mit Neumann gönnte ich mir eine zweite Tasse dampfend heissen Kaffee mit etwas Zimt , schlürfte ihn langsam und überlegte mir dabei das weitere Vorgehen.
Die Naziskins schienen mir im Moment die vielversprechendere Spur zu sein als die Albanerfährte, aber auch diese durfte ich nicht ignorieren. Sarah Rappolder stellte möglicherweise ein Bindeglied zwischen Hasanović und ihrem Bruder dar, der immerhin ein Rassist und Ausländerhasser war . Ob auch eine Verbindung zwischen den Albanern und Hasanović bestand, musste mir Blerim herausfinden. Ich konnte da wenig machen.
Also, wie sollte ich vorgehen?Eine wochenlange Beschattung kam nicht in Frage. Sowohl das Budget meiner Auftraggeber als auch meine Geduld waren zu begrenzt dafür. Eine Alternative musste her. Meiner Erfahrung nach konnte es sich ab und zu lohnen, Verdächtige direkt mit Anschuldigungen zu konfrontieren. Wurden sie nervös, machten sie manchmal etwas Unüberlegtes. Die Frage war nur, ob Rappolder zu der Art gehörte, die sich verhaspelte .
Zwei
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