Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Seine gesamte Einrichtung war spartanisch und modern, mit viel Metall und Glas. Der Sessel allein hatte wahr schein lich so viel wie meine gesamte Wohnungseinrichtung gekostet. Ich setzte mich, zückte ein Notizbuch samt Bleistift und nahm ein kleines Diktiergerät aus meiner Jackeni nnentasche, das ich auf den Kaffee tisch zwischen uns stellte.
Rappolder schien schon Erfahrung im Umgang mit der Presse zu haben. Er zeigte auf das Aufnahmegerät und sagte: «Das kommt nicht in Frage! Schreiben sie meine Antworten gefälligst auf. Und lassen Sie mich die Notizen vor der Veröffentlichung gegenlesen.»
«Wie Sie meinen.» Ich zuckte mit den Schultern und packte den Rekorder wieder weg. Dann öffnete ich den Notizblock, schlug eine neue Seite auf und blickte Rappolder in die Augen.
«Also», begann ich, «es geht im weiteren Sinne um extremistische Gewalt in der linken und rechten Szene. Dabei werden auch exem plarisch einige Gewalt ta ten erwähnt und in den grösseren Zusammen hang gestellt.»
Er blickte mich immer noch ausdruckslos an und fragte betont gelangweilt: «Und was hat das mit mir zu tun?»
«Sie wurden mehrfach als einer der Führer in der rechten Szene genannt.»
«Ah ja? Von wem?»
«Unter anderem soll Ihre Gruppe mehrfach Anlässe antirassistischer Grup pierun gen überfallen haben.»
«Ich habe gefragt, von wem!»
«Stimmt das?»
«Nein, sicher nicht. Das ist eine böswillige Unterstellung.» Er schnäuzte sich geräuschvoll. Dann lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme und schaute mich herausfordernd an.
Ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich erwiderte: «Können Sie noch ein wenig mehr dazu sagen?»
«Nein», sagte er gelangweilt, «was soll ich dazu sagen? Da hat offensichtlich jemand das falsche Zeugs geraucht. Ich bin weder ein Rassist noch Mitglied einer solchen Gruppe.»
«Sie sind kein Skinhead?»
«Wegen meiner Glatze, meinen Sie? Das ist nicht verboten, oder? Viele Männer tragen heutzutage eine Glatze.»
«Natürlich, aber vielleicht keinen Lonsdale-Pullover dazu.» Ich wusste, dass diese Kleidermarke unter Skinheads besonders beliebt war.
«Na und? Das ist einfach coole Sportbekleidung. Ich boxe ab und zu. Auch das ist nicht verboten.»
«Sie bleiben also dabei, dass Sie nicht der Anführer einer Gruppe von Skinheads sind, die sich Aktion Mjölnir nennt?»
Nun hatte ich seine Aufmerksamkeit. Er war gut, aber das hatte ihn überrascht. Seine Augen weiteten sich einen kurzen Augenblick lang, bevor er wieder die alte Abgebrühtheit aufsetzte und nonchalant zurückfragte: «Wie bitte?»
« Aktion Mjölnir . Benannt nach dem Hammer Thors.»
«Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.»
«Kommen Sie, das kaufe ich Ihnen nicht ab.»
Er lachte humorlos. «Na und? We n interessiert schon, was Sie denken, S ie Tintenpfuscher ! »
«Meine Leser vielleicht.»
«Darauf würde ich nicht wetten.» Er warf mir einen verächtlichen Blick zu. Dann stand er auf und sagte: «Ich muss mal kurz für kleine Jungs.»
Ich wartete ungeduldig. Seine geschliffene Sprache und das gespielte Desinteresse täuschte nicht darüber hinweg, dass ihm meine Fragen überhaupt nicht in den Kram zu passen schienen .
Kurz darauf kam Rappolder zurück und setzte sich wieder auf das Sofa. Er hatte nun ebenfalls einen Notizblock und einen Kugelschreiber dabei und fragte als Erstes: «Wie war nochmal ihr Name?»
«Magro. M-A-G-R-O.»
«Und Name und Telefonnummer ihres Redakteurs?»
Soweit hatte ich nicht gedacht. Ich nannte ihm den ersten Namen, der mir in den Sinn kam, und erfand eine Telefonnummer.
Er notierte sich alle Angaben, stand auf und sagte: «Ich denke, ich rufe da gleich mal an.»
Ich merkte, wie ich nervös wurde. Das lief ganz und gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Trotzdem sagte ich: «Sicher, nur zu. Aber waren sie nicht gerade im Begriff, mir zu erklären, was es mit der Aktion Mjölnir auf sich hat?»
Er starrte mich mit seinen kalten Augen an und antwortete im gleichen gelangweilten Ton, den er schon während des ganzen Ge sprächs benutzt hatte: «Wohl kaum. Wie ich ja sagte, weiss ich gar nicht, wovon Sie sprechen.»
Ich beschloss, die Stossrichtung zu ändern. «Na gut, dann zu etwas Anderem. In meinem Artikel geht es ja um Gewalt… und vielleicht wissen Sie, dass vor einige n Monaten ein Mann aus dem Zürichsee gefisch t wurde?»
Er setzte sich langsam und starrte mich dabei unentwegt an. Dann fragte er be i läufig: «Tot?» Trotz des Themas klang er so
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