Sonnenfinsternis: Kriminalroman
blieb bei meiner Rolle und zeigte nochmals auf die Karte. «Please, if you could just…»
Er trat noch einen Schritt näher, baute sich drohend vor mir auf und wieder holte energisch und erst noch zweisprachig: «Fuck off, du Arschloch! »
Ich zuckte mit den Achseln, legte die Karte auf den Beifahrersitz, startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein. Zum Abschied zeigte ich den beiden den Stinke finger und fuhr dann rückwärts zur Kreuzung zurück.
Nun zu Plan B. Immerhin hatte ich in Erfahrung gebracht, dass es ein gewisses Sicher heitsdispositiv gab. Für den Fall, dass ich die Kerle aufgeschreckt hatte und sie im Moment speziell wachsam waren, liess ich etwas Zeit verstreichen und gönnte mir inzwischen ein grosses Steak in einem kleinen Restaurant am Rhein. Trocken und mit vollem Magen war ich danach bereit für den zweiten Anlauf. Ich um fuhr Rappolders Waldstück weiträumig und stellte mein Auto am Rand einer kleinen Lichtung neben einen Holzstapel. Den Ort hatte ich am Nachmittag bereits erkundet, und so wusste ich, dass die Distanz von hier bis zu r Hütte rund einen Kilometer betrug. Um mich in der Dunkelheit und im Regen nicht zu ver laufen, hatte ich einen Kompass mitgebracht. Ich steckte die Karte in eine wasserdichte Plastikhülle und warf nochmals einen prüfenden Blick darauf, um mich zu vergewissern, dass ich tatsächlich am richtigen Ausgangspunkt war. Im Dunkeln sah alles immer anders aus als im Hellen. Zufrieden schloss ich danach meinen Wagen ab und machte mich querfeldein in Richtung Ost-Nord ost en auf den Weg zur Waldhütte.
Der Wald war von der naturbelassenen Sorte, und wegen des vielen Unter holzes kam ich nur langsam voran. Der kleine Vorfall mit dem Checkpoint hatte mich auf den Gedanken gebracht, dass Rappolder vielleicht nebst der Zufahrts strasse auch die Waldwege, welche zur Hütte führten, überwachen liess. Unwahr schein lich, aber möglich. Sicher wussten die Skinheads Bescheid darüber, dass ihnen die Antifa an den Fersen klebte wie die Beobachter an Duncan McLeod. Ich vermied daher alle Feldwege und Trampelpfade und arbeitete mich stattdessen mit Hilfe des Kompasses in direkter Linie quer durch den Wald vor. Der Regen dämpfte das Geräusch meiner Füsse. Ich verwen dete kein Licht und hob mich im dunklen Wald auch nicht gegen den Hin tergrund ab. Trotzdem hielt ich etwa alle hundert Meter an und horchte in die Dunkelheit hinein. Dann suchte ich mit meinem Nachtsichtgerät die jeweils nächsten hundert Meter ab, bevor ich weiterschlich .
Auf diese Weise benötigte ich rund vierzig Minuten, bis die Hütte in Sicht kam. Sie stand in der Mitte einer Lichtung von etwa fünfzig Meter Durchmesser und war auf allen Seiten von dichtem Wald umgeben. Das Meeting musste mittlerweile – ich rechnete kurz nach – schon fast zwei Stunden im Gang sein, und erleichtert stellte ich fest, dass in der Hütte noch Licht brannte und der Parkplatz davor noch voll war.
Ich kauerte mich im Schutz einer grossen alten Linde hin, nahm mein Nacht sicht gerät zur Hand und suchte zunächst den Waldrand rund um die kleine Lichtung ab. Das zahlte sich aus, denn plötzlich bemerkte ich etwa fünfzig Meter zu meiner Rechten einen hellen Punkt. Er leuchtete kurz auf und verschwand dann wieder. Ich fixierte meinen Blick auf diese Stelle und sah durch die fünffache Vergrösserung des Nachtsichtgerätes deutlich einen grossen, stämmigen Kerl in Jeans und Bomberjacke an einem Baum lehnen. D er Trottel rauchte, wenn auch auf die clevere Art: Das glühende Ende seiner Zigarette steckte in etwas, das wie eine Bierbüchse aussah und den charakteristischen roten Punkt, den man in der Dunkelheit kilometerweit sieht, verdecken sollte. Ich hatte ihn nur bemerkt , weil dieser Sichtschutz kurz versagt hatte. Wahrscheinlich war ihm die Büchse runtergefallen. Ich beobachtete den Kerl eine Weile. Er bewegte sich nicht vom Fleck und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
So weit, so gut. Im Kopf stellte ich mir den Grundriss des kleinen Waldstücks aus der Vogelperspektive vor. Die Hütte war ungefähr in der Mitte. Der Checkpoint und der soeben entdeckte Wachtposten im Wald bildeten zwei Eckpunkte eines gleichschenkligen Dreiecks, welches sich in die runde Lichtung einpassen liess. Daraus schloss ich, dass wohl noch ein zweiter Posten auf der anderen Seite stehen musste, und ich konzentrierte mich auf die Stelle, an der ich ihn vermutete. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn entdeckte, und zwar aus dem
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