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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Palermo nach Turin. Der Bombenexplosion und der anschliessenden Entgleisung des Zuges fielen sechs Menschen zum Opfer. Weitere 66 wurden verletzt. Wieder zwei Jahre später starben drei Polizisten bei der Explosion einer Autobombe nahe der nordostitalienischen Ortschaft Peteano. Im Mai 1974 explodierte eine Bombe inmitten einer antifaschistischen Demonstration in Brescia. Acht Demonstranten kamen ums Leben und 102 wurden verletzt. Nur drei Monate später explodierte eine weitere Bombe im Italicus-Schnellzug Rom–München, die zwölf Todesopfer und 48 Verwundete forderte. Danach war einige Jahre ruhig, bis am Morgen des 2. August 1980 eine ungeheure Explosion den Hauptbahnhof von Bologna erschütterte. Als Folge davon starben 85 Menschen. Über 200 wurden verletzt. Die Welt war entsetzt, aber die Anschlagsserie noch nicht beendet. Viereinhalb Jahre später, am 23. Dezember 1984, explodierte während der Fahrt durch den Apennin-Basistunnel eine Bombe im italienischen Schnellzug 904 von Neapel nach Mailand. Insgesamt 127 Menschen wurden getötet und über 200 verletzt.
Fast alle dieser terroristischen Anschläge wurden durch Mitglieder der rechtsextremistischen Vereinigungen Avanguardia Nazionale und Ordine Nuovo sowie dessen Ableger Nuclei Armati Rivoluzionari verübt, die nachweislich auf die Gladio-Infrastruktur zurückgreifen konnten, durch den militärischen Nachrichtendienst gedeckt wurden und teilweise auch Gladio-Mitglieder waren. Durch den Staatsapparat geschützt, konnten die Täter jeweils unerkannt entkommen.
Zwei Jahre nach Andreottis Aussage griff die BBC die Story auf und strahlte 1992 im Rahmen ihrer Geschichtsreihe Timewatch eine dreiteilige Dokumentation aus, in der zahlreiche Schlüsselpersonen der Operation grösstenteils anonymisiert zu Wort kamen. Zwar hatte der zu Ordine Nuovo gehörende Terrorist Vincenzo Vinciguerra bereits während seines Prozesses 1984 die Existenz von Gladio publik gemacht, bis zu Andreottis Aussage und der darauf folgenden BBC-Dokumentation, in der Vinciguerra ebenfalls zu Wort kam, hatte die Öffentlichkeit allerdings kaum Notiz davon genommen.
Vinciguerra war vom venezianischen Untersuchungsrichter Felice Casson vor Gericht gebracht worden, der 1984 den Fall des bis dahin ungeklärten Bombenanschlages von Peteano neu aufrollte und bald Vinciguerra als Urheber eruierte. Bei diesem Anschlag waren am 31. Mai 1972 drei Carabinieri – Mitglieder einer zur italienischen Armee gehörenden, jedoch dem Innenministerium unterstellten Gendarmerie – getötet worden, als sie den Kofferraum eines Fiat 500 öffneten, den sie gerade untersuchten. Sie waren durch einen anonymen Anruf zum Fahrzeug gelockt worden. Zwei Tage später beschuldigte ein weiterer anonymer Anrufer die linksextremistischen Brigate Rosse der Urheberschaft, und fast unmittelbar darauf begann die italienische Polizei mit einer gross angelegten Operation gegen die italienische Linke, in deren Verlauf rund zweihundert Kommunisten verhaftet wurden. Über ein Jahrzehnt lang glaubte die italienische Öffentlichkeit an die offizielle Version, nach der die Roten Brigaden für den Anschlag verantwortlich seien, bis Untersuchungsrichter Casson zwölf Jahre später auf allerlei Ungereimtheiten stiess. Zum Beispiel fand er heraus, dass am Ort des Anschlags keinerlei polizeiliche Spurensicherung betrieben worden war. Ebenso stellte er fest, dass die damalige Expertise, wonach der verwendete Sprengstoff einem von den Roten Brigaden üblicherweise verwendeten Typus entsprach, eine Fälschung war. Der zuständige Experte war selbst ein Mitglied von Ordine Nuovo gewesen und hatte den gefälschten Bericht als seinen Beitrag im Kampf gegen die Kommunisten angesehen. Casson konnte nachweisen, dass in Tat und Wahrheit C4 verwendet worden war, ein unter anderem von den NATO-Armeen eingesetzter militärischer Plastiksprengstoff.
Das geheime Gladio-Netzwerk war auch an einem stillen Putsch mit dem Codenamen Piano Solo massgeblich beteiligt, bei dem im November 1963 die erst kürzlich gewählten, demokratisch legitimierten Minister der Sozialisten gezwungen wurden, ihre Kabinettsposten wieder aufzugeben. Aus den Parlamentswahlen im April 1963 war die italienische Linke als Wahlsiegerin hervorgegangen, und Ministerpräsident Aldo Moro, der dem linken Flügel der konservativen Christdemokraten entstammte, hatte die Sozialisten deshalb an der Regierung beteiligt. Die Kommunisten hingegen wurden übergangen, was sie allerdings nicht

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