Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Spar dir des Machogerede für die Heteromädchen auf!»
Trotz meines Zustandes musste ich lachen. Mina konnte mich immer wieder aufheitern . Dann fiel mir etwas ein. «Du, sag mal, gestern ist einem der Kerle so ein Wort rausgerutscht: Gladio . Der Anführer ist deswegen mächtig sauer geworden. Hast du den Ausdruck schon mal gehört?»
«Das is ‘ italienisch und heisst Schwert .»
«Okay, und sonst?»
«Hmm… ne e , da fällt mir nix ein. Gladiator ? Gladiolen ? »
« Also , Floristen sind das definitiv nicht.»
Ich setzte mich also an meinen Schreibtisch und versuchte mein Glück auf Google, das gleich auf Anhieb hundertachtundsechzigtausend Hits auflistete. Der oberste Eintrag verwies auf einen englisch sprachi gen Wikipedia-Eintrag mit dem Titel Operation Gladio . Ich klickte auf den Link, rief die Seite auf und überflog die Einleitung. Der Artikel handelte von einer paramilitärischen Geheimorganisation der NATO, der CIA und des britischen Geheimdienstes während der Zeit des Kalten Krieg e s. Das Ganze klang für mich wie eine der üblichen Verschwörungstheorien, die dutzendfach im Internet kursier t en. Allerdings war der Beitrag gespickt mit Quellenangaben, davon ein ansehnlicher Teil wissenschaftliche Publikationen . Als ich die lange Liste durchging, fiel mir auf, dass ein Name immer wieder vorkam, manchmal allein, manchmal als Teil einer Autorengruppe : Enteler, M.
Bei einigen der Artikel waren Links angegeben. Ich klickte auf einen davon, und nach ein paar Sekunden fragte mich das Betriebssystem, ob ich eine PDF-Datei öffnen wolle. Ich wollte. Nachdem das Dokument vollständig herunter ge laden und angezeigt worden war, suchte ich es nach einer kurzen Bio gra f ie des Autors oder der Autorin ab . A uf der letzten Seite wurde ich tat sächlich fündig. Ein Fünfzeiler liess mich wissen , dass Dr. Marc Enteler einer der renom mier testen Forscher zum Thema NATO-Geheimarmeen war und – viel wichtiger – nicht irgend wo an einer weit entfernten amerikanischen oder engli schen Universität forschte und lehrte, sondern hier in Zürich am Center for Security Studies der ETH. Ich rief die angegebene Website auf und fand nach kurzer Suche sein Dozentenprofil . Einen Klick später schaute mich auf dem Bild schirm ein gut gekleideter, hagerer und bebrillter Mann mittleren Alters mit dichtem schwarze m Haar an. Auf dem Foto schätzte ich ihn auf etwa Anfang Vierzig. Anscheinend war er Frankokanadier, forschte seit sechs Jahren an der ETH und hatte seine Dissertation über Gladio geschrieben. Unter seinem Kurz profil war eine Telefonn um mer aufgeführt. Ich wählte sie und wurde von einer freundlichen Sekretärin ohne langes Zureden zu Dr. Enteler durchgestellt. Nach ein paar erläuternden Sätzen erklärte er sich bereit, mich zu treffen, wenn ich in einer halben Stunde bei ihm sein konnte . Wenige Minuten später sass ich bereits im Neunertram zum Haupt bahnhof. Dort stieg ich auf die Linie Zehn um und fuhr weiter bis zur ETH. Auf meinem iPod liefen die Counting Crows .
Um Viertel vor elf sass ich auf einem abgewetzten braunen Büro dreh stuhl in einem nüchternen, kleinen Akademikerbüro. Die weissen Wände waren mit Karten und Symbolen zugepflastert und auf dem Boden stapelten sich Berge von Bücher n . Vor mir auf einem winzigen, aber eleganten schwarzen Schreibtisch aus Metall stand ein Papier becher voll mit einem hellen, undefinierbaren Gebräu, das Kaffee sein sollte. Auf der anderen Seite des Schreibtisches sass Dr. Enteler. So in persona sah er jünger aus als auf seinem Foto. Meine derangierte Erscheinung geflissentlich übersehend fragte er freundlich: «Also, Herr van Gogh, was kann ich für Sie tun? Am Telefon waren Sie ein wenig vage.» Er sprach mit perfekter Grammatik und nur einem Hauch von französische m Akzent. Seine geschliffene deutsche Aussprache hatte er kaum in der Schweiz gelernt.
«Ich ermittle in einem Mordfall», antwortete ich wahrheitsgemäss, «und habe in diesem Zusammenhang den Ausdruck Gladio auf ge schnappt. Im Internet bin ich dann auf Ihren Namen gestossen.»
« Aha , gut. Es gibt einen recht langen Wikipedia-Artikel zu diesem Thema, zu dem wir substantiell beigetragen haben. Kennen Sie den?»
Leicht verlegen antwortete ich ausweichend: «Na ja, ich habe ihn überflogen.»
Er schmunzelte. «Jetzt haben Sie gerade ein Gesicht gemacht wie meine Studenten, wenn sie ihre Arbeiten nicht fristgerecht fertigstellen und eine Verlängerung beantragen.»
Ich
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