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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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versengten Flügel. Aber wenigstens war der Boden nicht mehr mit dem elenden Schnee bedeckt und jede Nacht war die Luft ein wenig wärmer. Auch die Landschaft veränderte sich, war jetzt flach und sumpfig. Und nun sah er zum ersten Mal ein paar vertraute Sterne am entfernten Horizont, Teile von Sternbildern, mit denen er im Dschungel aufgewachsen war. Sein Herz hüpfte. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, bis er wieder zu Hause war bei den anderen Vampyrum Spectrum. Im heiligen Tempel würde er zu Cama Zotz beten und geheilt werden.
    Vorläufig war er mit seinen verletzten Flügeln noch langsam und ungeschickt, und vieles von seiner Beute entwischte ihm. Trotzdem gelang es ihm, genug zum Überleben zu fangen: eine dämliche, aber wohlgenährte Maus, einen Sperling, der in seinem Nest hinter einem Schirm von Zweigen verborgen war. Eines Nachts war er so hungrig gewesen, dass er sogar ein paar Insekten gefressen und sich dabei vor Ekel fast übergeben hatte. Wie immer spürte er einen Heißhunger auf Fledermäuse, aber er hatte sehr wenige gesehen und wusste nicht, ob er in seinem geschwächten Zustand überhaupt schnell genug war, um sie zu fangen.
    Am nächtlichen Himmel musste er jetzt vorsichtig sein, und das passte ihm nicht. Bevor ihn der Blitz getroffen hatte, war er frei von Angst gewesen, ein Herrscher der Nacht. Aber nun war er ein Krüppel. Der Gedanke, jetzt mit einer Eule kämpfen zu müssen, behagte ihm gar nicht.
    Noch größere Sorgen machte er sich wegen der Menschen.
    Sie hatten nach ihm gesucht und ihn schon einmal mit ihrer Flugmaschine aufgespürt und mit Betäubungspfeilen beschossen. Und erst vor ein paar Nächten hatte er geglaubt, er hätte das rhythmische Geräusch dieser Flugmaschine wieder gehört. Atemlos hatte er tief in einem Baum gewartet, bis das Geräusch vorüber war.
    Schatten und Marina, diese beiden jämmerlichen Fledermäuse aus dem Norden, hatten ihm dieses Unglück eingebrockt. Sie glaubten wahrscheinlich, er wäre tot, genauso wie Throbb. Wenigstens musste sich Goth nun nicht mehr dessen Gejammer anhören.
    Der östliche Himmel begann sich aufzuhellen und Goth strich mit dem Klang-Sehen über die Landschaft auf der Suche nach einem Rastplatz. In einem felsigen Hügel fand er eine Spalte, in die er dankbar hineinflog. Mit dem Echosehen erkannte er, dass er sich in einem riesigen Labyrinth von Höhlen befand. Erfreut drang er fliegend noch tiefer ein. Statt kälter zu werden, wurde die Luft wärmer, bis ihn köstliche tropische Hitze umgab. Er erkannte, dass sie aus Löchern im Steinboden aufstieg wie aus dem Erdinneren. Wie lange war es doch her, dass er sich so warm gefühlt hatte!
    Er untersuchte die Decke der Höhlen mit Klängen – merkwürdig, dass hier keine Fledermäuse nisteten. Es schien doch ein natürlicher Ort für sie zu sein. Er hatte auf eine gute Mahlzeit gehofft. Aber er fühlte sich in der Wärme zu wohl, um sehr enttäuscht zu sein. Er wollte weiter in die Höhlen vordringen, weiter und tiefer, angezogen von der Wärme – und da war noch etwas anderes, das ihn ganz am Rande seines Bewusstseins lockte. Die Augenlider wurden ihm schwer, er wollte schlafen und dennoch flog er weiter. Würde er tatsächlich in die Unterwelt gelangen?
    Es war hier so dunkel und er flog nur nach dem Klang. Die Augen fielen ihm zu. Endlich kam er in eine große runde Höhle, von der keine weiteren Gänge wegführten. Erschöpft hing er an der Wand. Sofort hüllte ihn der Schlaf in seine seidenweichen Flügel.
    „Goth. “
    Das Flüstern wand sich um seinen Kopf herum. „Goth.“
    „Hier bin ich“, antwortete er schlaftrunken. Schlief er oder war er wach? Dann erstarrte er. Wer war da? Nur die Stimme des Schlafes vielleicht. Aber eine kalte Spannung floss durch seinen Körper und sein Fell sträubte sich. Seine Augen waren offen, aber er konnte nichts sehen. In der undurchdringlichen Schwärze der Höhle war alles Klang: die gefurchten Felswände und die Decke glänzten silbern in seinem Kopf. Aber da war noch etwas, was er jetzt mit seinem inneren Auge sehen konnte, eine Art Strömung, die sich langsam, hypnotisch durch die Höhle ringelte. Ein Strom reinen Klangs.
    Erstaunt schaute er zu, wie die Strömung die Höhle anfüllte, strudelte, niemals stillstand. Sein Herz hämmerte.
    „Wo fliegst du hin?“, flüsterte die Stimme.
    „Nach Hause“, sagte er. „In den Dschungel.“ Klangbilder malten sich wie bewegliche Hieroglyphen auf die Wände und die Decke: ein Jaguar,

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