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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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erstickte ihn jedes Mal. Als er nun hörte, wie seine Mutter ihn aussprach, durchströmte ihn ein Gefühl der Panik.
    „Aber er muss einfach da sein“, sagte er in der Hoffnung, in dieser Überzeugung bestärkt zu werden. „Er muss ...“ Er sah Marinas liebevolles Lächeln und verstummte. Er kam sich kindisch vor. Er wusste nur, dass sein Vater noch am Leben war. Irgendwo. Es war nur ein Gefühl aus dem Bauch, das ihm sagte, er wäre in dem Gebäude der Menschen.
    „Wir sollten darauf vorbereitet sein, eine Enttäuschung zu erleben“, sagte Frieda. „Aber wir wollen das Beste hoffen.“
    Ein wisperndes Geräusch streifte Schattens Gesicht.
    Er spitzte die Ohren und horchte aufmerksam. „Hast du das gehört?“, fragte er.
    „Nur der Wind“, sagte Marina.
    „Nein, es klang wie ... “
    „Ich höre es auch“, hauchte Frieda. „Jawohl. Stimmen.“
    Schatten zuckte mit den großen Ohren, schwenkte scharf nach rechts und versuchte, das Geräusch einzufangen. Es waren eindeutig Fledermausstimmen, aber so schwach, dass er keine Worte erkennen konnte. Es war, als ob er wieder im Echoraum wäre, die uralten Klangströme hörte und sich in sie einzuklinken versuchte, bevor sie wegrutschten.
    „Jetzt hab ich’s auch“, sagte Marina.
    „Ich auch!“ Das war seine Mutter.
    „Folgt mir, Silberflügel“, hörte er Frieda rufen. Schatten blendete den Rest der Welt aus und folgte allein den Stimmen. Sie waren jetzt ein wenig lauter und flossen alle zusammen wie ein Strom in der Luft.
    „Schaut nur!“, hörte er Ikarus sagen.
    Vor ihnen senkte sich das Grasland in einer sanften Neigung. Auf dem Talboden breitete sich ein blendender Teich von Lichtern und Geräuschen aus. Mit einem Mal schienen die Fledermausstimmen von diesem Ort aufzusteigen und durch die Luft auf sie zuzuschweben – ein geheimnisvoller Chor, verwirrend, aber melodisch und unwiderstehlich anziehend.
    „Was sagen sie?“, fragte Marina überwältigt.
    Schatten schüttelte den Kopf. Man konnte es unmöglich verstehen. Aber was machte das schon? „Sie wollen, dass wir zu ihnen kommen“, sagte er aufgeregt. „Das muss dieses Gebäude der Menschen sein da unten! Kommt mit!“
    Er stürzte sich in das Tal hinab, und nun konnte er Mauern erkennen, ein Dach mit hohen glänzenden Metalltürmen.
    Die Musik der Fledermausstimmen war nun so überwältigend, dass das Ganze weniger wie ein Gebäude wirkte, sondern eher wie etwas, das ganz aus betörenden Tönen gewoben war. Es war das Schönste, was er je gesehen oder gehört hatte.
    Das ist es, wonach mein Vater gesucht hat! Hier gab es Antworten auf seine Fragen, da war sich Schatten jetzt sicher. Da drinnen! Da kamen die Stimmen her! Und da war sein Vater! Wie sollte er da hineinkommen? Die Stimmen würden ihm den Weg zeigen. Er klinkte sich ein, ließ sich von ihnen näher heranziehen.
    Mit Marina an seiner Flügelspitze streifte er niedrig über das gewaltige Dach hin. Wegen seines glatten, dunklen Glanzes nahm er an, dass es aus Glas war. Trotzdem konnte er nicht hindurchsehen, nicht einmal eine verschwommene Bewegung oder einen Lichtschimmer erkennen.
    Dennoch zogen ihn die Stimmen zum entfernten Ende des Daches und dort war das Geräusch so laut, dass es vor seinem inneren Auge eine Aura von blendendem Licht erzeugte.
    „Hier ist es!“, rief er den anderen zu.
    Unmittelbar unterhalb der Dachkante befand sich hoch oben in der Mauer eine runde Öffnung, und da kamen die Fledermausstimmen her. Ohne zu zögern flog er dorthin, bremste und landete in dem Eingang. Es war eine Art Tunnel und er eilte ihn bereits auf allen vieren entlang.
    „Schatten, vielleicht sollten wir lieber warten ...“ Es war Marina, die neben ihm landete.
    „Komm mit, sie sind alle hier drin!“ Sie wollten, dass er zu ihnen kam, das war völlig klar. Sie erwarteten, dass er hereinkam!
    Er kroch den Tunnel entlang, dann spürte er, wie der Boden unter ihm nachgab. Der Chor schöner, melodischer Stimmen verstummte ganz plötzlich. In den Ohren fühlte er einen kräftigen warmen Luftstrom und er rutschte direkt nach unten. Bevor er noch seine Flügel ausbreiten oder sich mit den Krallen festhalten konnte, wurde er durch eine weitere Öffnung geschleudert. Sekundenschnell waren die Flügel entfaltet und er kreiste und starrte staunend auf das, was ihn da begrüßte.

– 2 –
Eine Stimme in der Höhle
    Goth lahmte durch den Himmel.
    Zwei Nächte lang war er nach Süden geflogen. Bei jedem Schlag kreischten seine vom Blitz

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