Sonnenglut der Leidenschaft
lüften können.“
„Ja, deshalb betrachtet mein Volk sie als eine geheimnisvolle Frau“, sagte Tariq trocken.
„Das Innere der Erde ist genauso faszinierend wie das Weltall, vielleicht sogar noch faszinierender“, bemerkte Hal. „Ach, wenn mir doch nur ein Zehntel der Mittel zur Verfügung stünden, die für das Raumfahrtprogramm ausgegeben werden“, fügte er sehnsüchtig hinzu.
„Das kann ich natürlich nicht versprechen“, antwortete Tariq lächelnd. „Aber vielleicht können wir die Untersuchungen mithilfe der angrenzenden Staaten fortsetzen. Allerdings lege ich großen Wert darauf, dass die Flora und Fauna in dieser Umgebung erhalten bleibt.“
„Das hat auch für mich höchste Bedeutung“, stimmte Bob Holmes ihm zu, ein Professor für Naturgeschichte. „Da die Oase sich in Privatbesitz befindet und praktisch von der restlichen Wüste abgeschnitten ist – sie liegt zwar in der Nähe des alten Kameltrecks, aber doch weit genug entfernt, um unberührt zu sein – stellt sie vom naturgeschichtlichen Standpunkt aus gesehen einen einmaligen Ort dar. Ich interessiere mich besonders für die Fischarten, die wir aus der Oase gefangen haben. Sie erinnern an tropische Meerwasserfische. Eigentlich findet man diese Arten eher in Korallenriffen. Die Oase enthält aber Süßwasser. Allerdings ähneln ihre Felsformationen tatsächlich einem Riff.“
Tariq lächelte. „Der Sage nach ließ ein Prinz vor langer Zeit einen abgeteilten Innenhofgarten für seine Lieblingsgespielin anlegen, komplett mit einem Aquarium, in dem kleine Rifffische schwammen. Als die Konkubine nach einem Giftanschlag durch die Hand ihrer größten Rivalin starb, ließ der untröstliche Prinz das Aquarium entfernen, weil dessen Anblick ihn ständig an die geliebte Frau erinnerte. Daher ordnete er an, das Aquarium zu zerstören und die Fische zu vernichten. Doch der kleinen Tochter eines der damit beauftragten Männer taten die Fische sehr leid. Sie bat ihren Vater, die Fische in der Oase auszusetzen und betete zu Allah, dass sie überlebten.“ Tariq zuckte die Schultern. „Wer weiß? Wie das Fleisch eines Pfirsichs den Kern umschließt, der seinen Samen enthält, enthält vielleicht auch die Sage einen wahren Kern, und die Fische in der Oase stammen von den Meerwasserfischen ab, die in der Oase überlebt und sich an die neue Umgebung angepasst haben.“
„Möglich. Vielleicht hat aber auch ein Meeresvogel oder sogar ein abgerichteter Falke Fisch aus dem Golf versehentlich hier fallen lassen.“
Ungläubig zog Tariq eine Augenbraue hoch.
Bob lachte. „Das klingt wirklich ziemlich unwahrscheinlich. Aber man weiß ja nie.“
Seit Beginn des Sommers und der extremen Hitze wurde im Tal nicht mehr gearbeitet. Tariq wollte die Tierwelt nicht durch den Einsatz künstlicher Beleuchtung stören, die es den Männern erlaubt hätte, in den kühlen Nachtstunden zu arbeiten. Die Männer sicherten momentan noch die Ausgrabungsstätten, anschließend würden sie bis zum Wiederbeginn der Arbeiten abreisen.
Er musste noch mit den Männern sprechen, zu deren Arbeitsfeld der ursprüngliche Palast und die Neuanlage der hängenden Gärten gehörten. Doch eigenartigerweise konnte er sich kaum auf das ihm so wichtige Projekt konzentrieren, weil er die ganze Zeit an eine gewisse Gwynneth Talbot denken musste.
Nachdem Tariq sich von den Wissenschaftlern verabschiedet hatte, machte er sich auf den Weg zu der Villa, in der er bis zur Trennung seiner Eltern mit ihnen gewohnt hatte. Er schloss die Tür auf und betrat das angenehm kühle Haus.
Die Villa hatte sein Großvater im Stil nahöstlicher Architektur gebaut. Das Prinzip war einfach: möglichst viel kühle Luft und wenig Sonnenschein ins Haus lassen.
Am Ende entstand ein solides viereckiges Gebäude, das vier Innenhöfe umschloss, drei davon Gärten. In jeder Ecke prangte ein traditioneller Windturm, mit Blick über die Wüste und die Innengärten.
Tariq erinnerte sich, wie er mit drei oder vier Jahren an der Hand seines Vaters die Stufen eines der Windtürme erklommen hatte. Sein Vater sah an dem Tag lange in die Wüste und erklärte ihm dann das Bauprinzip des Turms. Ob er sich damals schon nach seiner Freiheit gesehnt hatte? Oder nach einer anderen Umgebung, wo er mit Frau und Sohn glücklich sein konnte?
Mit keinem Wort hatte seine Mutter je das Versprechen erwähnt, von dem er seit gestern wusste. Doch im Gegensatz zu ihrem Mann hatte sie die Abgeschiedenheit der Innenhofgärten geliebt.
Weitere Kostenlose Bücher