Sonnenglut der Leidenschaft
Selbst nach ihrem Umzug nach Zuran blieb sie am liebsten für sich. Weil sie ihrem Mann nachtrauerte? Oder weil sie eine Einzelgängerin war, die sich ungern in der Nähe anderer Menschen aufhielt?
Auch Tariq genoss es mitunter, allein zu sein, um in Ruhe nachzudenken.
Hier hatte sein Vater ihm Fußballspielen und Englisch beigebracht. Und zugesehen, wie Tariq seine ersten Lehrstunden in Falknerei erhielt.
Viele Jahre hatte er sich diese Erinnerungen versagt. Und jetzt schmeckten sie bittersüß.
Es war ganz ruhig in der Wohnung, die Gwynneth schrecklich leer vorkam. Obwohl die Uhr bereits die erste Morgenstunde anzeigte, konnte sie nicht schlafen. Stattdessen zog es sie auf den Balkon. Hatte sie wirklich erst gestern hier mit Tariq zu Abend gegessen? Besser gesagt, mit seiner königlichen Hoheit Prinz Tariq bin Salud Al Fwaisa. Kein Wunder, dass er mitunter so arrogant wirkte.
Auf einem anderen Balkon der Apartmentanlage verbrannte jemand Weihrauch. Der schwere sinnliche Duft hing in der Luft und zauberte Bilder von eng umschlungenen Liebenden auf einem niedrigen Diwan vor ihr geistiges Auge. Hier im Nahen Osten herrschte die Welt der Sinne, dachte Gwynneth. Im Westen hingegen war sie nicht sehr präsent.
Im benachbarten Suk hatte sie einen kleinen Laden entdeckt, der Düfte und Räucherstäbchen verkaufte. Fast hätte sie dort etwas gekauft. Aber wozu?
Damit sie sich zu Hause in England an Tariq erinnerte? Sie dachte ja sowieso ständig an ihn!
Tariq, Tariq, Tariq, der ihr jeden Preis zahlen würde, um sie endlich loszuwerden.
Vermutlich wollte er die Wohnung unbedingt behalten, weil er sich hier ungestört mit Frauen treffen konnte, die er sich selbst für seine Sexabenteuer aussuchte oder die ihm andere Männer sozusagen als kleine Präsente für getätigte Geschäfte schickten. So musste es sein, denn das erklärte auch sein Verhalten in der Nacht ihrer ersten Begegnung.
Und jetzt stehe ich ihm im Weg, dachte Gwynneth. Geld spielt für ihn keine Rolle, er kann es sich leisten, mir den doppelten Preis für die Wohnung anzubieten.
Wütend ging sie auf dem Balkon auf und ab und steigerte sich richtig in ihre Wut hinein. Es war ja auch eine widerwärtige Vorstellung, dass Tariq sie nur wie eine Ware benutzt hatte. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie viele Frauen er in dieser Wohnung schon besessen hatte.
Wie kam sie nur auf die völlig abwegige Idee, dass Tariq ihre verzehrende Sehnsucht nach ihm erwiderte! Seine Leidenschaft hatte ihrer eigenen zwar in nichts nachgestanden, doch woher sollte sie wissen, ob er nicht jede Frau so leidenschaftlich beglückte? Mit ihrer nicht vorhandenen Erfahrung kannte sie sich in diesen Dingen doch gar nicht aus.
Während Tariq sich wohl nur genommen hatte, was sie ihm aus freien Stücken anbot, und dabei auf Gefühle komplett verzichtete, sah es bei ihr ganz anders aus. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt, und er brach ihr das Herz!
Das konnte und wollte sie nicht zulassen. Höchste Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen und das Zusammensein mit ihm lediglich als Intermezzo zu betrachten. Sie musste so schnell wie möglich abreisen und diese Episode ihres Lebens hinter sich lassen.
Unmittelbar nach seiner Rückkehr würde sie ihm mitteilen, dass sie sein Angebot nun doch annahm. Dann könnte sie in ein Hotel umziehen und so lange bleiben, bis alle Formalitäten erledigt waren und sein Geld auf ihrem Konto eintraf.
Nachdenklich sah Tariq starr auf den Computermonitor. Statt Korrespondenz zu erledigen und die Daten bezüglich der Arbeiten im verborgenen Tal auf den aktuellen Stand zu bringen, kreisten seine Gedanken wieder einmal um Gwynneth und seine Eltern. Hatten sie sich vor der Heirat eingehend mit der Frage beschäftigt, ob sich ihr unterschiedlicher kultureller Hintergrund auf ihre Beziehung auswirken würde? Sie mussten doch gewusst haben, wie sehr so etwas eine Beziehung mitunter belastete. Aber vielleicht hatten sie gehofft, dass ihre Liebe alle Unterschiede überwand.
Er sah auf seine Uhr. Wenn er jetzt losfuhr, war er vor Sonnenaufgang in Zuran. Doch wozu? Um Gwynneth mit zärtlichen Liebkosungen zu wecken? Sie in die Arme zu nehmen und sich mit ihr zu vereinen?
Ich muss verrückt geworden sein, dachte er. Nur weil er erfahren hatte, dass nicht alles stimmte, was er über seinen Vater geglaubt hatte, bildete er sich jetzt ein, dass …
Dass was? Dass er nicht mehr gegen seine Gefühle anzukämpfen brauchte? Dass es für ihn und Gwynneth
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