Sonnenlaeufer
violette Segel ausmachen. Man hatte Roelstra erst viel später erwartet, und Sioned vermutete, dass er absichtlich so früh eingetroffen war. Es schien das Lieblingsvergnügen aller Prinzen zu sein, Menschen aus der Ruhe zu bringen. Die Barke umrundete eine leichte Kurve im Faolain und trieb majestätisch auf das Dock zu. Sie war riesengroß, weiß und gold und violett gestrichen, und konnte sicher mehr als hundert Personen in Luxus und Komfort beherbergen.
»Nun schau dir das bloß an!«, hauchte Camigwen.
Ein Mann in der Nähe schnaubte: »Aye, und seht euch nur die Galionsfigur an! Manche benutzen Drachen, andere Ungeheuer, die so entsetzlich sind wie die Meereskreaturen, die sie erschrecken sollen – aber das Schiff Seiner Gnaden wechselt die Galionsfiguren wie Seine Gnaden selbst die Mätressen. Wie es heißt, hat er die letzte dabei, mit dickem Bauch und allem.«
Obwohl Sioneds Interesse nicht Roelstras Mätresse, sondern seinen Töchtern galt, musterte sie doch das prächtige Schnitzwerk. Sie musste zugeben, dass der Handwerker von unübertroffener Geschicklichkeit gewesen war und die Mätresse des Hoheprinzen, wenn das Bild zutraf, von unübertroffener Schönheit sein musste. Als die Barke vorüberglitt, wurden erst Gestalten, dann Gesichter auf dem Oberdeck sichtbar. Die meisten gehörten Frauen, und das Gesicht, das mit der Galionsfigur übereinstimmte, gehörte in der Tat zu einer Dame, die hochschwanger war. Die anderen Frauen waren schlank und elegant, in ihrem hochgetürmten Haar funkelten Juwelen, und die weißen Gewänder schmückten violette Bordüren. Vier von ihnen waren dunkelhaarig, eine blond, und die sechste hatte Haar von der Farbe polierten Kupfers. Alle sechs waren ausgesprochen schön.
Roelstra selbst war noch eindrucksvoller als sein Schiff. Groß, in einen weißen Umhang und eine violette Tunika gehüllt, stand er an der Reling des Oberdecks, eine Hand erhoben, um die Menge zu grüßen. Doch als Sioned ihn genau beobachtete, bemerkte sie, dass sein Blick auf niemandem haften blieb; er schien nach jemandem Ausschau zu halten, und Sioned wusste, wer das sein musste.
»Und da ist ER höchstpersönlich«, murmelte der Mann an ihrer Seite, »hübsch herausstaffiert, um meinen eigenen Herrn und alle anderen zu verspeisen. Seine Hure sieht aus, als würde sie jeden Augenblick werfen – möge es noch ein Mädchen werden! Die Prinzessinnen sind eine hübsche Bande – lieblich wie die reinsten Vollblutfüllen von Lord Chaynal und bereit, ihren Stall einzureißen und sich auf den besten Hengst zu stürzen, nämlich den jungen Prinz Rohan – bitte um Vergebung, meine Damen, aber was ich denke, das sage ich auch offen und gerade heraus. Siebzehn Töchter, könnt Ihr euch das vorstellen? Man sollte meinen, bei so vielen Frauen, wie sie Seine Gnaden begattet hat, sollte mindestens ein Knabe herausspringen. Aber nein, die Göttin gibt, was sie für richtig hält, und in ihren Gaben liegt Gerechtigkeit. Mein eigener Herr, nun, ich bin froh, dass der glücklich verheiratet ist. Ich möchte keine der königlichen Hündinnen zur Herrin haben, wirklich wahr – bitte erneut um Vergebung für mein unziemliches Geschwätz, und noch dazu in der Gegenwart so vornehmer Faradhi- Damen, wie Ihr es seid! Kommt mit mir, wenn Ihr einen guten Blick auf das Schauspiel haben wollt. Ich werde Euch bis in die Nähe geleiten. Da könnt Ihr meinen Herrn und all die anderen sehen, wie sie Seine Gnaden begrüßen.«
»Das ist sehr freundlich von Euch«, bedankte sich Camigwen mit strahlendem Lächeln. »Unser eigener Begleiter scheint uns verlassen zu haben. Geht nur voraus, Herr!«
»Die Fürsorge für einen Lichtläufer bringt den Segen der Göttin«, antwortete er zwinkernd und zeigte ein zahnlückiges Grinsen. »Aber die Wahrheit ist, dass ich mich gerne in der Begleitung so hübscher Damen sehen lasse!«
Er bahnte ihnen den Weg, indem er andere grob beiseitestieß, und jeglichem Protest hielt er ein gebrummtes »Faradhi’im!« entgegen. Sioned unterdrückte ein Lächeln, als ihr klar wurde, dass er sie zwar schützte und zu einem guten Aussichtsplatz führte, sie gleichzeitig aber auch dafür benutzte, selbst in die Nähe des Schauspiels zu gelangen. Sie näherten sich der Anlegestelle, und Sioneds Blick suchte unter den Edlen nach Rohan. Auf dem kurzen Pier drängte sich der Adel – selbst Lady Andrade war dort, zusammen mit Tobin und Chay. Doch von Rohans blondem Kopf sah sie nichts.
Der Hoheprinz und
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