Sonnenlaeufer
Wand aus scharlachroter Seide zeigte ihr einen Mann und eine Frau in enger Umarmung; Lachen erklang, und das Licht wurde abrupt gelöscht. Ein Stück weiter zeigte ein türkisfarbenes Zelt einen Mann, der einen anderen mit wütenden Gesten bedrohte. Die trotzige Haltung des zweiten verging allmählich, bis er mit hängendem Kopf auf den Knien lag. Sioned fragte sich, was wohl in anderen Nächten zu sehen sein würde, besonders an den blauen Wänden von Rohans Zelt.
Sie kehrte ins Wüstenlager zurück und setzte sich auf einen kleinen Schemel vor dem Zelt, das sie mit Camigwen und drei anderen Faradhi- Frauen teilen würde. Eine Schale mit glühenden Kohlen stand vor ihr, und mit einer Handbewegung rief sie die Flammen wach. Diese Bewegung ließ den Smaragd an ihrem Finger kurz aufleuchten. Beide Hände vor sich ausgestreckt, starrte sie auf ihre Ringe. Jetzt waren es acht, aber nur sieben davon hatte sie als Faradhi erworben. Sie wusste noch immer nicht, warum sie etwas so Gefährliches unternommen und sich in den Lichtteppich des fernen Faradhi eingebracht hatte – oder besser, sie wusste es und scheute sich, es zuzugeben. Was würde sie nicht für Rohan tun?, fragte sie sich, angesichts ihrer Reaktion auf ihn wieder von Sorge erfasst. Urival war zu Recht auf der Hut. Sie würde ihre Gaben und Fähigkeiten zu Rohans Gunsten einsetzen, ungeachtet seiner Absichten. Ihre Macht über Sonnen- und Mondschein war nichts, verglichen mit der Macht, die er über sie hatte.
Rebellion regte sich, und sie schwor sich, sie würde kein weiterer Faradhi werden, wie der andere es offensichtlich für Roelstra war. Doch der Mann hasste seine Sklaverei; Sioned jedoch wusste, dass sie ihre Sklaverei willkommen heißen würde. Gütige Göttin, welch eine Närrin hatte ihr Herz aus ihr gemacht. Sie funkelte den Smaragd an, von dem Tobin ihr erzählt hatte, dass er der Familie seit Urzeiten gehörte. Es hieß, er besäße einen ganz eigenen Zauber. Grün für ihre Augen, dachte sie und verfluchte Rohan noch einmal, weil er sie vor aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt hatte.
Die goldenen Ringe zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich, und ihre Gedanken wandten sich der Entdeckung in der Drachenhöhle zu. Wenn Rohan recht hatte, dann würde sich das Leben in der Wüste drastisch verändern. Mit unbegrenztem Reichtum würde er kaufen können, was immer er für sich und sein Volk begehrte. Er würde ganze Prinzenreiche und ihre Prinzen dazu kaufen können – oder die Prinzessinnen, fügte sie mit einer Grimasse hinzu. Jeder hatte seinen Preis.
Sie versuchte zu glauben, dass das für sie nicht galt und dass nichts sie dazu bewegen konnte, ihre Ausbildung zu verraten, so wie es dieser andere Faradhi getan hatte – doch die lebende Widerlegung trat plötzlich in ihr Blickfeld, die Arme ausgebreitet, als er sich streckte. Heiße Röte stieg ihr in die Wangen, und sie wandte ihr Gesicht den Flammen zu. Für ihn würde sie alles tun; und das erschreckte sie. Er würde es nie verlangen – das musste sie wenigstens glauben –, aber es war bitter zu wissen, dass sie für ihn alles und jeden verraten würde.
»Sioned?«
Seine Schritte raschelten im feuchten Gras. Sie streckte die Hände der Wärmepfanne entgegen, den Blick auf ihre Ringe geheftet, als er sich neben sie hockte.
»Du bist so spät noch auf? Du musst doch müde sein – es war ein langer Ritt, und ich bin sicher, Camigwen hat dafür gesorgt, dass auch du deinen Teil Arbeit leisten musstest.«
»Ich bin nicht müde.«
»Ich auch nicht. Roelstra trifft morgen ein, und ich mache mir Sorgen.«
»Du weißt doch bestimmt, was du tust.« Ihr Blick fiel auf seine feinen, sonnengebräunten Hände, die er dicht neben ihre hielt, als er sie am Feuer wärmte.
»Mehr oder weniger. Aber das kann sich alles ändern, wenn ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe. Ein Prinz dem anderen. Was wird, wenn er mich durchschaut?«
»Wenn diejenigen, die dich lieben, so ihre Zweifel haben, warum machst du dir dann Gedanken wegen eines Fremden?«
»Ach, ich habe meine Familie jahrelang zum Narren gehalten«, gab er zurück, und sie wusste, dass er den Hintersinn in ihren Worten nicht verstanden hatte. »Sioned, wenn ich nun versage? Ich muss diese Verträge haben. Erst dann kann ich anfangen, ein Leben für uns beide aufzubauen.«
»Wenn du es wirklich willst, wirst du auch einen Weg finden.« Sie hörte selbst, wie platt das klang, und hasste sich dafür.
»Sioned, bitte, sieh mich
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