Sonnenlaeufer
Haldors Rechte zu verteidigen. Und auch alle anderen von uns, die an den Grenzen von Meadowlord oder Syr leben – Prinz Rohan zum Beispiel –, würden ebenfalls zu Haldors Verteidigung kommen. Das würde den Krieg weniger rentabel machen, und wir könnten damit aufhören, Energie und Geld in sinnlosen Kriegen zu verschwenden.«
»Das gefällt mir«, erklärte Ajit aus Firon.
»Mir auch«, sagte Saumer nach einem Blick auf Volog, der lächelte.
»Darf ich etwas sagen?«, hörte sich Rohan sagen.
»Aber bitte, Vetter«, antwortete Roelstra galant.
»Ich finde, dass Prinz Lleyn der oberste Schiedsrichter bei jeglichem ernsthaftem Disput sein sollte. Es geht hier nicht um Angelegenheiten, die Lady Andrade zu entscheiden hat, und auf seiner Insel hat Lleyn nur wenig Interesse daran, wer was auf dem Festland besitzt.«
»Seid Ihr mit diesem Vorschlag einverstanden, Lleyn?«
Der alte Mann verneigte sich vor dem Hoheprinzen. »Ich betrachte es als Ehre, diese Aufgabe zu übernehmen.«
Endlich sind sie vernünftig geworden, dachte Rohan dankbar.
»Ich hoffe«, fuhr Roelstra fort, »dass wir in der Lage sein werden, Differenzen unter uns selbst beizulegen, ohne Lleyn damit behelligen zu müssen.« Keiner der Männer überhörte diesen Wink, nicht einmal Saumer. »Und nun, meine Herren, haben wir uns eine Pause verdient. Prinz Vissarion hat in seinem Zelt Erfrischungen bereitgestellt. Heute Nachmittag treffen wir uns wieder hier.«
Rohan entfloh der stickigen Atmosphäre des violetten Zelts und schlug als Schutz vor dem Regen die Kapuze seines Umhangs hoch. Der Vormittag war nicht ganz so schlimm verlaufen, wie er es schon befürchtet hatte, aber es gab vieles, über das er nachdenken musste. Er wollte allein sein, aber er wusste nicht, wo das hier im Lager möglich war. In Stronghold wäre er für ein paar Stunden verschwunden, wie es ihm beliebte, aber wo konnte sich ein Prinz beim Rialla verstecken?
Er ging zum Fluss hinunter und hoffte, dass niemand sonst dort einen Spaziergang im Regen machen würde. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Meath, der sich am gegenüberliegenden Ufer durch die Bäume schlängelte. Er sagte sich, dass er dankbar sein sollte, weil ständig jemand über ihn wachte, aber es ärgerte ihn auch. Ganz kurz erwog er, ein Spiel daraus zu machen und zu versuchen, den Faradhi hinters Licht zu führen, aber der gehorsame Teil in ihm verbot das. Er wäre ein Idiot, wenn er ohne Wache ausging, wo sich so viele Merida in der Nähe herumtreiben konnten.
Endlich entdeckte Rohan den perfekten Platz, um allein zu sein: die Stufen, die zur Brücke emporführten. Er kam sich ein wenig dumm vor, als er darunterschlüpfte und sich, vor dem Regen geschützt, dort zusammenkauerte. Sollte Meath doch denken, was er wollte! Er zog seinen Umhang enger um sich – wie ein Drache, der die Flügel gegen den Regen faltet, sagte er sich grinsend. Die Holzplanken über ihm leckten ein wenig, und er rutschte herum, bis er einen Fleck fand, wo die Tropfen ihn nicht erreichten. Schließlich machte er es sich bequem, trocken und neugierigen Blicken entzogen.
Der Morgen war gar nicht so schlecht gewesen, überlegte er, obgleich ihn Roelstras Vorschlag, was die gegenseitige Hilfe und Verteidigung anging, beunruhigte. Möglichkeiten, hier Unheil zu stiften, gab es unendlich viele. Er versuchte, die Gedanken des Hoheprinzen nachzuvollziehen – die viel zu durchsichtig für seinen Seelenfrieden waren –, und die Szenen, die vor seinem geistigen Auge auftauchten, waren alles andere als beruhigend. Jeder Angriff, von wem auch immer er ausging, würde die anderen Prinzen zur Bestrafung zwingen. Fragen würden erst später gestellt werden – falls die Kämpfe zu einem Ende kamen. Denn es gab Zwietracht unter den Prinzen, und die würde nicht einfach angesichts irgendeines Vertrages vergehen. Athr’im kämpften ständig miteinander, meistens auf Grund der Befehle ihrer Prinzen, die sich für gewöhnlich aus der eigentlichen Schlacht heraushielten. Rohans eigener Vater hatte diese Taktik oft genug angewandt, obwohl er den Kampf geliebt hatte und fast ständig mitten in einem unbedeutenden Krieg steckte. Rohan jedoch hatte nicht die Absicht, so zu leben.
Aber er konnte sich leicht vorstellen, wie eine Armee aus Söldnern eine Burg belagerte und die Schuld auf jemand anderen abwälzte. Hoheprinz Roelstra würde dann zur Verteidigung des angegriffenen Prinzen eilen – und genau den Schaden anrichten, den er selbst im Sinn hatte.
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