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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Schutz. Zum Teufel mit Rohans löchrigen Zelten. Zum Teufel überhaupt mit Rohan.
    Sie ließ sich neben tropfnassem Farn nieder und zwang sich, die Dinge noch einmal zu überdenken. Es war nicht einmal die Szene aus der vergangenen Nacht, die sie beunruhigte, gestand sie sich ein; sie konnte verstehen, wenn Rohan Ianthe begehrt hatte. Ihr war es bei Ianthes Vater ebenso gegangen. Das Problem lag tiefer, und als sie auf ihre Ringe hinabblickte, verzog ein bitteres Lächeln ihre Lippen.
    Was würde Andrade sagen, wenn sie erfuhr, was Sioned diesem Merida angetan hatte? Sie hatte ihn nur erschrecken wollen, und doch hatte ihre Beschwörung ihn getötet. Schlimmer noch, sie empfand nicht einmal echte Reue über den Tod dieses Mannes. Er hatte versucht, Rohan zu töten; das war Grund genug für seinen Tod.
    Sie versuchte zu glauben, dass sie Rohan hasste, weil er ihr das alles antat. Doch in Wirklichkeit hasste sie sich selbst, weil sie zuließ, dass so etwas geschah. Sie hatte auch nicht gewollt, dass der Kellermeister in Stronghold starb, aber er war tot, und sein Geist war zerrissen worden durch die beiden Lichtläufer, die um die Vorherrschaft rangen. Sioned war zum Teil verantwortlich. Aber auch seinetwegen konnte sie kaum Reue empfinden.
    Sie hatte für Rohan getötet und konnte sich noch nicht einmal damit entschuldigen, dass sie seine Prinzessin war. Was würde erst in Zukunft geschehen, wenn sie sich jederzeit bequem hinter dieser Verpflichtung verstecken konnte? Rohans Macht über sie war erschreckend, aber es war auch Macht, die sie ihm geschenkt hatte, zusammen mit ihrem Herzen und ihrer Seele. Sie konnte nur seine Prinzessin sein – und sich fühlen, als wäre sie nur ein halber Mensch, wenn sie es aufgab, eine Faradhi zu sein.
    Es musste doch möglich sein, ein Gleichgewicht zu schaffen und beides zu sein, Lichtläufer und Prinzessin. Andrade hätte dies niemals geplant, wenn es gänzlich unmöglich war, beides zu verbinden. Kein Prinz, keine Prinzessin war jemals gleichzeitig ein aktiver Lichtläufer gewesen; es war zu gefährlich. Sie kuschelte sich fester in ihren Umhang und schloss die Augen. Sie fragte sich, warum Andrade glaubte, sie wäre stark genug, dem Wunsch zu widerstehen, ihre Macht einzusetzen, wenn ihr Gemahl oder ihr Land es erforderlich machten. Sioned hatte nicht beabsichtigt zu töten, aber das war keine Entschuldigung. Sie hatte den wichtigsten Eid der Faradhi gebrochen, um Rohan zu verteidigen.
    Ganz plötzlich kam ihr der Gedanke, dass Andrade vielleicht genau darauf gesetzt hatte.
    Sie war verblüfft. Die Herrin war ehrgeizig und arrogant und manipulierte gern, aber sie konnte doch nicht voraussetzen, dass Sioned alle Zurückhaltung ignorieren würde, die ihr die Tradition auferlegte, wenn es um den Einsatz der Faradhi -Macht ging. Gewiss konnte sie nicht so grausam sein und Sioned verantwortlich machen.
    Aber vielleicht war sie es doch. Vielleicht hatte Andrade einkalkuliert, dass ihre Gaben lediglich zu Mitläufern werden würden und dass Sioned zum Wohle des Prinzen ihren Eid brechen würde. Andrade hätte so etwas niemals befehlen können, sie hätte nicht einmal offen sagen können, dass sie dies von Sioned erwartete. Und doch ergab es plötzlich einen Sinn. Andrade hatte nichts gesagt, aber Sioned begriff auf einmal, was von ihr verlangt wurde. Sie sollte nicht nur einen Sohn zur Welt bringen, der gleichzeitig Prinz und Lichtläufer war – sondern auch die neuen Regeln, nach denen ihr Sohn dann zu leben hatte.
    Und Rohan – was würde er von ihr verlangen? Konnte sie sich darauf verlassen, dass er nicht von ihr verlangen würde, diese Wahl wieder und immer wieder zu treffen? Sie zitterte trotz des schweren Pelzes und wusste, dass sie ihre Wahl trotz allem getroffen hatte: Rohan. Und für ihn würde sie tun, was sie tun musste, als Faradhi und als Prinzessin.
    Als sie so unter den regennassen Zweigen saß, gab es noch etwas, das sie verwirrte, bis sie die Antwort plötzlich erkannte. Die Prinzen würden zornig werden, wenn sie herausfanden, dass Andrade die Absicht hatte, eine ihrer Lichtläuferinnen mit einem Prinzen zu verehelichen. Dank Rohans kleinem Spielchen mit Roelstras Töchtern wussten sie es aber noch nicht. Als sie sich den Regen vom Gesicht wischte, lächelte sie grimmig in Erwartung des Aufruhrs. Wenn ihnen dieses Ereignis schon nicht behagte, dann würden sie regelrechte Anfälle bekommen, wenn Kinder geboren würden.
    Sioned bemerkte ihre Freunde nicht, die sie

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