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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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seiner Lippe. Nie zuvor hatte er begriffen, wie Roelstra es schaffte, dass die Prinzen ziemlich genau das machten, was er wollte. Jetzt verstand er es. Sie kämpften gegeneinander, ermutigt vom Hoheprinzen, der abwartete, bis beide Parteien bereit waren, sich in Fetzen zu reißen. Und dann schlug er einen Kompromiss vor, der dafür sorgte, dass beide Seiten ihm verpflichtet waren. Und das nannte Roelstra dann »Friedensstiftung«.
    Rohan starrte auf seine Hände hinab, um den Abscheu zu verbergen, der, wie er wusste, aus seinen Augen sprechen musste. Er wollte nur beanspruchen, was ihm gehörte, und dieses dann in wahrem Frieden hegen. Hege, Vorsicht und Kooperation würden die Wüste aufblühen lassen; seine Vasallen mussten gemeinsam arbeiten, um zu überleben, und mussten ihre kleinlichen Differenzen beilegen. In den reicheren Ländern war es jedoch anders. Nur wenig Arbeit war nötig, um Obst und Blumen in der Prinzenmark, in Ossetia oder auf Kierst-Isel zu erzeugen. Den Herrschern dieser Länder blieb Zeit für andere Dinge, und durch viele Jahre hatte Roelstra dafür gesorgt, dass sie ihre Energien in irgendwelchen Streitigkeiten vergeudeten. Die ganze Zeit waren all diese Ressourcen, all diese Kraft des Geistes, all dieser Reichtum – all das war vergeudet worden. Rohan war über diese Verschwendung so wütend, als hätte er jemanden dabei ertappt, wie er das kostbare Wasser aus den Zisternen in Stronghold absichtlich verschüttete.
    Regieren, das war die hohe Kunst der Koordination. Herrschen war die subtile Kunst der Machtausübung. Was immer Rohan sich wünschte – Frieden, indem er mit Gesetzen herrschte, die alle verstanden –, Roelstra würde mit aller Macht versuchen, das zu verhindern. Das begriff Rohan jetzt. Mehr noch, er verstand Ianthes Verzweiflung, die sie letzte Nacht zu ihm getrieben hatte. Sie hatte die Chance gesehen, durch ihn Macht zu erlangen, und das war das Einzige, das sie jemals zu begehren gelernt hatte. Sie hatte nur das Vorbild ihres Vaters an Vergeudung und Verrat, von dem sie lernen konnte.
    Plötzlich dachte er an Sioned, und sein Herz tat ihm weh. Er selbst hatte an Roelstras Spiel teilgenommen, ohne es auch nur zu wissen, und hatte Sioned gegen die Prinzessinnen ausgespielt, wie Roelstra die Prinzen gegenseitig ausspielte, während er sich zurücklehnte und das Schauspiel genoss. Rohan hatte demgegenüber sogar sein eigenes Herz verhärtet, was er doch für so schlau gehalten hatte. Aber er konnte auf diese Art nicht leben. Er brauchte Sioned neben sich – offen und ehrlich. Jetzt sah er sich selbst auf einmal als arrogantes Kind, das ein falsches Spiel gespielt und nicht nur sie, sondern auch sich selbst dabei verletzt hatte.
    Er wurde sich bewusst, dass Prinz Lleyn ihn beobachtete. Dessen blasse, blaue Augen lächelten einen Moment lang verständnisvoll. Dann erhob sich der alte Mann.
    »Meine Herren«, fing er an und fuhr dann lauter fort: »Meine Herren!« Sie beruhigten sich. »Ich möchte Prinz Rohan zu seiner ausgezeichneten, wenngleich revolutionären Idee beglückwünschen. Aber ich denke, dass wir ohne Landkarten und Dokumente unsere Zeit vergeuden.«
    »Könnt Ihr denn unsere Probleme lösen, Vetter?«, erkundigte sich Roelstra honigsüß.
    »Ich denke ja. Wir müssen uns an Lady Andrade halten.«
    »Wozu das?« In den beiden Worten Saumers lag eine ganze Welt des Misstrauens.
    »Gewiss nicht, um zu regieren«, beruhigte Lleyn ihn. »Aber vielleicht können wir sie überreden, bis zum nächsten Rialla Claims zu beschaffen, so dass jedermann weiß, wo er steht – buchstäblich. Ich schlage vor, dass wir uns das Aufzeichnen der Grenzen bis zur nächsten Zusammenkunft in drei Jahren aufheben und in unseren Archiven nach guten Beispielen suchen.«
    »Das billige ich«, erklärte der Hoheprinz. »Eure Worte sind klug wie immer. Tatsächlich inspirieren sie mich dazu, noch etwas anderes, recht Neues vorzuschlagen. Ich schlage vor, dass die Dinge so bleiben, wie sie jetzt sind, und als die rechtmäßigen Grenzen unserer Besitztümer gelten, bis wir sie in drei Jahren ändern, falls dies notwendig ist. Ich schlage weiter vor, dass jeder Prinz, der einen anderen angreift, von uns allen augenblicklich bestraft wird.«
    Saumer runzelte die Stirn. »Damit ich das richtig verstehe, Roelstra. Wenn, sagen wir, Chale Haldor wegen ein paar Quadratlängen angreift, die umstritten sind …«
    »Dann werde ich so bald wie möglich mit all meinen Streitkräften herbeieilen, um Prinz

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