Sonnenlaeufer
aus dem schwachen Schutz der Bäume beobachteten. Walvis war nahezu unsichtbar. Er bibberte in einem Umhang, der ihn von der Nase bis zu den Stiefeln einhüllte. Meath war tatsächlich unsichtbar, sowohl für den Knappen als auch für die Lichtläuferin, der er gefolgt war, seit Hildreth ihn auf Sioneds Rastlosigkeit aufmerksam gemacht hatte. Er sagte sich, dass sie, wenn sie allein sein wollte, um nachzudenken, doch wenigstens ein hübsches, trockenes Zelt hätte aufsuchen können, anstatt draußen herumzulaufen. Leise fluchend kauerte er sich näher an den Baum.
Zur selben Zeit verfluchte Rohan sich selbst, weil er seine radikalen Vorstellungen ahnungslosen Prinzen auferlegte. Trotz des Regens ging die Konferenz weiter – wenn man den derzeitigen hitzigen Disput mit diesem höflichen Ausdruck benennen konnte. Rohan hatte einen schweren Fehler begangen, der sich nicht einmal mit seiner Müdigkeit entschuldigen ließ. Er hatte nicht mehr geschlafen, nachdem Ianthe ihn verlassen hatte, und war nahe daran gewesen, Sioned aufzusuchen, um die Begierde zu befriedigen, die die Prinzessin in ihm erweckt hatte. Die bloße Vorstellung hatte ihn abgestoßen. Dennoch hatte er bis zur Morgendämmerung kein Auge zugemacht, denn als er über Ianthes Tun nachdachte, wuchsen seine Sorgen darüber, was das bedeuten mochte. Und um seinem Unbehagen noch die Krone aufzusetzen, machte ihn der Regen bis ins Mark seiner wüstegewohnten Knochen nervös. Aber ein Prinz konnte sich nicht für seine Fehler entschuldigen, nicht einmal vor sich selbst. Rohan lauschte dem Streit, der um ihn her tobte, und wünschte, er hätte seinen dummen Mund gehalten.
Alles hatte ganz gut angefangen. Unschuldig hatte er erklärt, dass es nützlich für ihn wäre, zu wissen, wo seine Grenzen lägen. Schließlich müsse er wirklich wissen, über was er als Prinz herrsche. Seine Absicht war offenkundig gewesen, selbst für einen dummen Prinzen wie Saumer aus Isel. Der Angriff der Merida hatte wieder einmal die Frage nach den Rechten an gewissen Wüstenbereichen aufgeworfen – und es war Roelstra, der nachgefasst hatte –, und Rohan wollte festlegen, was ihm gehörte und – was noch wichtiger war – was nicht mehr seinen Feinden gehörte. Die Prinzen erkannten nicht, dass seine eigentlichen Ziele viel subtiler waren. Wenn sich alle einig waren, was ihm gehörte, und die Merida sich nicht aus dem Wüstenland entfernten, dann lieferte dies Rohan die Entschuldigung für eine Invasion. Kein anderer Prinz würde es wagen, den Merida zu helfen, solange Rohan damit zu tun hatte, zurückzuerobern, was gemäß ihrem Beschluss ihm gehörte. Aber darüber hinaus wusste er auch, dass eine feste Regierung feste Grenzen verlangte. Er hatte die Absicht gehabt, damit anzufangen, deutliche Grenzen für seine eigenen Ländereien vorzuschlagen und wollte dann, in späteren Jahren, andere Prinzen ermutigen, dasselbe zu tun. Aber sie waren zu Dingen übergegangen, von denen Rohan gehofft hatte, sie bis zum nächsten Rialla aufheben zu können. Er hatte nicht mit der hitzigen Konkurrenz zwischen Prinz Saumer und Prinz Volog gerechnet. Sie teilten sich ihre Insel in einem Waffenstillstand, der nichts von echtem Frieden an sich hatte, und ihre Grenzen änderten sich jährlich. Als Rohan vorschlug, seinen eigenen Besitz genau zu definieren, hatten sie sich auf dieses Konzept gestürzt wie Drachen, die einen Hirsch entdecken.
»Was soll als Präzedenzfall gelten?«, hatte Roelstra in die Diskussion geworfen, und die Schlacht hatte angefangen.
Jeder hatte ein Beispiel. Jedermanns Urgroßvater hatte ein Beispiel gehabt. Darum ging es doch schließlich bei den Gebietsstreitigkeiten. Rohan schalt sich einen Narren, denn es sah so aus, als würde jeden Augenblick ein weiterer Krieg ausbrechen. Aber er konnte niemandem außer sich selbst die Schuld daran geben.
Doch als er zu dem Hoheprinzen hinüberschaute und überlegte, warum Roelstra sich nicht einmischte, um die Ruhe wiederherzustellen, lernte er etwas sehr Interessantes. Roelstra wünschte sich, dass sie sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Der Konflikt zwischen Saumer und Volog hatte zu einem ähnlichen Streit zwischen den Prinzen aus Firon und Fessenden geführt. Und obwohl Roelstras Züge ernst waren, funkelten seine Augen vor Freude. Ihre Uneinigkeit war sein Ziel und sein Entzücken. Es war der Schlüssel zu seiner persönlichen Macht, wenn sie sich entzweiten.
Rohan lehnte sich in seinem Sessel zurück und kaute auf
Weitere Kostenlose Bücher