Sonnenlaeufer
gut aus, meine Liebe. Ich möchte, dass du bei den Feierlichkeiten des Letzten Tages so gut wie möglich aussiehst.«
»Wie Ihr befehlt, Herr«, versprach sie und lächelte zu ihm auf.
»Ich wünschte, meine Töchter wären ebenso darauf bedacht, mir eine Freude zu bereiten, wie du, Palila. Erinnere mich daran, dir von ihren Manövern zu erzählen, vor allem in Hinblick auf diese Lichtläuferin.« Seine Augen funkelten vor Belustigung – und noch etwas anderem –, als er lächelte und sie verließ.
Sie sank in ihre Kissen zurück und zerriss gedankenverloren deren Spitze. Ihr Instinkt nagte weiter an ihr, während sie in Gedanken jedes Wort dieser Unterhaltung durchging, und ihr wurde kalt bis ins Mark, als seine Worte zu einem einzigen, entsetzlichen Satz wurden: ihre Entlassung und Crigos Todesurteil.
Sie hatte nicht seit mehr als vierzehn Jahren mit Roelstra gelebt, um ihn jetzt nicht zu verstehen. Sein Blick wanderte zu anderen, jedes Mal, wenn sich der Tag der Geburt näherte, aber immer war es ihr gelungen, selbst damit fertig zu werden, immer hatte sie dafür gesorgt, dass seine Affairen kurz und unproduktiv blieben. Die Mädchen waren jedes Mal aus der Felsenburg verschwunden, sobald sich Palila körperlich von der Geburt erholt hatte. Dass sie so lange schon Roelstras Mätresse war, lag zum Teil auch daran, dass sie sich um sein Vergnügen kümmerte, selbst wenn sie nicht in der Lage war, diese Freuden mit ihm zu teilen.
Aber diesmal war es anders. Sie spürte es mit jedem Nerv. Sie ging noch einmal die Beschreibungen der Prinzessinnen durch, die das Faradhi -Mädchen gesehen hatten, und machte Abstriche mit allem, was auf Eifersucht zurückzuführen war. Dann fügte sie Roelstras eigene Worte über Crigos Nutzlosigkeit hinzu. Diesmal war sein Bedürfnis nach einer neuen Frau mit dem Bedarf an einem neuen Lichtläufer zusammengefallen – und seine Wahl für beides war auf diese Sioned gefallen.
In ihrer Panik erhob sich Palila von der Liege. Ihr Rücken schmerzte, als sie zum Kleiderschrank ging und in den unteren Regalen nach einem kleinen Päckchen suchte, das sie immer bei den weniger wertvollen Schmuckstücken aufbewahrte. Dranath war ein Kraut, dessen Potenz mit der Zeit zunahm, und dieses Päckchen war tatsächlich sehr alt – eines der ersten, das ihr die alte Berghexe gegeben hatte. Sie stöhnte, als sie mit der Droge in der Hand wieder auf die Beine kam und nach diesem kleinen Ausflug atemlos zu ihrer Liege zurückkehrte. Crigo würde hier zu ihr gebracht werden und heute Abend eine starke Dosis bekommen; die Barke würde sich dann im schlimmsten Sturm befinden können, und doch würde er glauben, trockenen Boden unter den Füßen zu haben. Er würde all die falsche Kraft benötigen, die Dranath ihm geben konnte, denn heute Abend sollte er etwas für sie tun, was er seit fünf Wintern nicht mehr für sie getan hatte. Er sollte bewusst die Farben eines anderen Faradhi im Mondschein suchen.
Andrade saß in einem bequemen Sessel, einen Teller mit Speisen im Schoß und ein trockenes Lächeln auf den Lippen. Die Atmosphäre bei Rohans Abendgesellschaft im Freien war romantisch genug, selbst für ihren törichten Neffen. Fackeln tauchten vom Wein gerötete Gesichter in goldenes Licht, eine Brise vom Fluss bewegte die riesigen Blumensträuße, die in Eimern die Tanzfläche begrenzten, und Musiker spielten sanfte Weisen, die sie aus ihrer Kindheit kannte. Sie war diesen Dingen gegenüber immun, beobachtete aber, wie die Paare um sie herum ihnen erlagen – einige junge Edle und ihre auserwählten Damen, die sie selbst am folgenden Tag miteinander verbinden würde, und mehrere verheiratete Paare, die diese Art Unsinn schon längst hätten hinter sich haben sollen. Camigwen und Ostvel hatten für niemanden außer sich selbst Augen; Chay und Tobin führten sich auf, als hätten sie sich gerade erst ineinander verliebt. Sie standen bei Rohans Zelt und fütterten einander mit weingetränkten Beeren, und dabei kicherten sie wie die Kinder. Andrade seufzte. Es würde schwierig werden für sie, heute Nacht mit irgendjemandem ein intelligentes Gespräch zu führen. Der Göttin sei Dank, dass sie niemals ihr Herz oder ihren Verstand an einen Mann verloren hatte. Und doch, als sie einen jungen Edlen mit seiner Braut am Arm vorübergleiten sah, fragte sie sich, was ihr entgangen war.
Urival näherte sich ihr ein wenig unsicher, in der einen Hand eine Schüssel mit Obst und Wein, in der anderen einen Kelch.
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