Sonnenlaeufer
in den Armen halten.«
»Herrin – bitte, lasst mich nicht mit ihr allein!« Die Frau klammerte sich an Andrades Arm.
»Sie hat sich um wichtigere Dinge zu kümmern als um dich!«, fuhr Pandsala dazwischen.
»Es wird alles gut werden«, tröstete Andrade. Dankbar floh sie dann aus diesem merkwürdigen, stickigen Raum die Treppe hinauf nach oben an Deck. Sie hoffte, die Nachtluft würde ihren Kopf kühlen und klären. Die Mannschaft, nervös, wie Männer immer sind, wenn Frauen Kinder zur Welt bringen, stand in Grüppchen herum und spekulierte über das Geheimnis von Babys. Andrade lächelte müde bei der Vorstellung, wie Rohan darauf wartete, dass sein Kind geboren würde. Chay würde ihn so betrunken machen, dass er sicher seinen eigenen Namen vergessen würde und sich auch nicht mehr um Sioned sorgen würde.
Die kalte Feuchtigkeit des Flusses drang in ihre Knochen und fügte dem Schmerz in ihrem Kopf und ihrem Magen einen weiteren hinzu. Das würde Roelstra ihr büßen, nahm sie sich vor, ehe sie taumelte, weil eine winzige Welle die Barke aus dem Rhythmus brachte, an den sich Andrade inzwischen mehr oder weniger gewöhnt hatte. Sie presste sich entsetzt eine Hand vor den Mund und fühlte, wie ein kräftiger Arm sie stützte.
»Kein Grund sich zu schämen, Herrin«, erklang eine tiefe, freundliche Stimme. »Das erwartet man schließlich von euch Faradhi’im .«
Einen Moment später wurde ihr ihre Würde unwichtig. Der Matrose Gernius hielt geschickt ihren Kopf über die Reling, als sie ihren Kampf mit dem Fluss verlor. Sie bemühte sich, nicht noch zusätzlich ohnmächtig zu werden, und nachdem er ihren Mund abgewischt und ihr aus einer Flasche zu trinken gegeben hatte, hörten die Sterne auf zu tanzen.
»So, Herrin«, meinte Gernius, »jetzt wird es Euch gleich besser gehen. Ich bin schon früher mit Faradhi’im gesegelt, und es ist immer besser, wenn man sofort nachgibt.«
Andrade nickte kurz und dankte ihm für seine Fürsorge mit einem solchen Mangel an Anmut, dass er nur lächeln konnte. Sie erwartete, dass ihr Kopf jeden Augenblick platzen würde wie eine Drachenschale, als sie den Gang entlang zurück zu Palilas Kabine ging. Die Tür wurde von Frauen versperrt, die eigentlich drinnen bei der Geburt helfen sollten. Die Wut verlieh ihr neue Kräfte – und sorgte gleichzeitig dafür, dass sich noch unbekannte Nerven in ihrem Schädel ebenfalls lautstark meldeten. »Warum seid ihr nicht drinnen?«, wollte sie wissen.
»Sie hat uns fortgeschickt, Herrin! Alle außer der Prinzessin.«
»Verdammt, Ianthe!«, fluchte Andrade leise. Eine Prinzessin half Dienerinnen, die andere kümmerte sich um die Mätresse, obwohl sie alle sie verabscheuten. Sie würde dahinterkommen, und wenn es die ganze Nacht dauern sollte. »Lasst mich vorbei. Jemand soll den Hoheprinzen holen. Zwei von euch, geht nach unten und …«
Ein dünnes Heulen aus der Kabine unterbrach sie, unverkennbar das Weinen eines Neugeborenen. Die Frauen schrien auf, drängten vorwärts und stießen Andrade von der Tür fort.
»Sie ist verschlossen!«, rief eine von ihnen.
»Ianthe! Öffnet die Tür!«, befahl Andrade und zuckte unter der Lautstärke ihrer eigenen Stimme zusammen. Aber sie wusste, dass die Prinzessin buchstäblich alle Hände voll zu tun hatte, und knirschte ungeduldig mit den Zähnen. Die Dienerinnen traten nervös von einem Fuß auf den anderen, und eine von ihnen schlug vor, ein paar Matrosen zu rufen, damit sie die Tür eintreten könnten. Andrade wollte gerade den Befehl dazu erteilen, als die Tür weit aufgerissen wurde.
Drinnen stand Ianthe, ein violett eingewickeltes Bündel im Arm und ein süßes Lächeln auf den Lippen. Andrade schenkte ihr einen prüfenden Blick, ehe sie an ihr vorbei zum Bett eilte.
»Ist alles in Ordnung mit Euch?«, fragte sie Palila.
»Hmm?« Verträumte Augen lächelten sie an. »O ja. Ja! Ich habe einen Sohn!« Sie fing an zu lachen. »Einen Sohn, Andrade! Einen Sohn!«
»Mit dem Segen der Göttin«, antwortete diese automatisch, während ihre Gedanken bei dem Versuch wirbelten, zu ergründen, welche Folgen diese Geburt haben mochte. Sie rief Palilas Frauen herbei, die vortraten, um es ihr bequem zu machen und sie anzukleiden, damit sie den Hoheprinzen empfangen konnte. Da wird Roelstra triumphieren, dachte Andrade sauer, während sie zusah. So, er hatte also endlich einen Sohn. Verdammt.
Auf der Suche nach Ianthe wandte sie sich um. Aber die Prinzessin war verschwunden – und mit ihr das
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