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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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jemand mit Neuigkeiten über ihren vermissten Lichtläufer gekommen war. Aber stattdessen erschien ein Mann im Violett der Lakaien des Hoheprinzen. Er atmete schwer. Nach einem scharfen Blick von Urival ließ er sich auf ein Knie nieder.
    »Herrin, Ihr müsst sofort kommen.«
    Andrade richtete sich auf ihrem Stuhl auf und setzte an, dem Mann deutlich zu erklären, was sie von derartigen groben Unterbrechungen hielt. »Lasst Roelstra von seinem eigenen Arzt zusammenflicken!«, fauchte sie, aber der Mann schüttelte den Kopf.
    »Es geht nicht um den Hoheprinzen, Mylady. Die Damen von Lady Palila haben mich geschickt, Euch sogleich zu holen.«
    »Palila? Warum denn das?« Sie starrte ihn an und wechselte dann einen kurzen Blick mit Urival. »O Göttin! Sie hat Wehen, ja?«
    »Ja, Herrin, es sieht ganz so aus. Man sagte mir, es wäre zu früh. Ihre Damen sind verzweifelt, denn der Leibarzt des Hoheprinzen steht nicht zur Verfügung.«
    Nach allem, was Urival ihr von Roelstras Wunden erzählt hatte, konnte Andrade das glauben. Sie erhob sich. »Also gut. Ich komme.« Auf die Proteste der anderen hin erklärte sie: »Seid nicht albern. Ich bin völlig sicher, und Palila wird Hilfe benötigen. Urival, bleib hier und befrage Antoun, wenn er zurückgebracht wird – hoffentlich in einem Stück. Cami, du und Ostvel, ihr trefft euch mit den anderen Lichtläufern und berichtet ihnen, was heute Nacht hier besprochen wurde. Sie werden euch morgen früh helfen. Und keinen Streit!« Sie wandte sich an Roelstras Mann. »Du, wie immer du heißt …«
    »Gernius, Herrin.«
    »Also gut, Gernius, du hast die Ehre, meine Tasche mit Medikamenten tragen zu dürfen und mich zur Barke des Hoheprinzen zu geleiten. Lass uns gehen.«
    Im selben Augenblick, als sie einen Fuß auf das Schiff setzte, fing ihr Magen an zu rebellieren. Sie biss die Zähne gegen die Übelkeit und das schmerzhafte Pochen hinter den Augen zusammen, klammerte sich an ihre Würde und folgte einer Magd in Palilas luxuriöse Kabine. Sie sah sofort, dass Roelstras Mätresse sich in schlechtem Zustand befand. Während sie den nutzlosen Frauen, die sie umgaben, Befehle zubellte, stellte sie voll Abscheu fest, dass sie – wie ihre Herrin – froh waren, dass jemand die Verantwortung übernahm. Sie untersuchte Palila flink und gründlich und gab Anweisungen, die Palilas Qualen ein wenig lindern würden. Andrade hatte schon genügend Geburten erlebt, um zu wissen, dass diese hier noch geraume Zeit dauern würde, aber sie erwähnte es Palila gegenüber nicht. Die Mätresse schrie laut genug, um den Gott des Sturmes aus seinem Winterschlaf zu reißen.
    »Ach, hört auf«, riet sie nicht unfreundlich, als sie auf dem Bett neben der zuckenden Gestalt Platz nahm. »Kämpft nicht so hart. Ihr verbraucht Eure ganze Kraft beim Schreien.« Palilas Nägel bohrten sich in Andrades Arme, und diese fügte diesen neuen Schmerz philosophisch dem grotesken Hämmern in ihrem Schädel hinzu. »Beruhigt Euch. Ihr macht das prächtig.«
    »Mylady?« Das Murmeln an Andrades Schulter ließ diese herumfahren, und sie sah sich ausgerechnet Prinzessin Ianthe gegenüber. »Unten warten noch drei weitere«, sagte das Mädchen.
    »Drei weitere?«, wiederholte Andrade verständnislos.
    »Gebärende.«
    »Gütige Göttin!«, rief sie aus. »Warum habt Ihr mir das nicht gesagt?«
    »Aber das tue ich doch.« Ianthes Lippen zuckten, als sie versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. »Außerdem handelt es sich nur um Dienerinnen.«
    »Es sind Frauen wie Ihr und ich!«
    Palila stöhnte. »Verlasst mich nicht!« Das Entsetzen in ihren Augen ging weit über das hinaus, was man sonst bei einer feigen Frau mit Wehen fand. Ihr Blick war auf die Prinzessin gerichtet, und Andrade schloss daraus, dass der Hass in der Felsenburg noch weit größer war, als sie bislang vermutet hatte.
    »Ich komme so bald wie möglich zurück«, versprach sie Palila. »Ianthe, bleibt bei ihr.«
    »Nein!«, kreischte Palila.
    Aber Ianthe ließ sich in einen Sessel neben dem Bett sinken und streichelte beruhigend Palilas Hand – sie musste sich sehr bemühen, um dieses hübsche Bild der Besorgnis hinzukriegen, wie Andrade bemerkte. Mit einem Achselzucken tat sie ihr ungutes Gefühl ab und verließ die Kabine.
    Sie stieg eine steile, dunkle Treppe hinab, fluchte leise, als das sanfte Schaukeln der Barke sie stolpern ließ und drohte, sie ihres Abendessens zu berauben. Sie hielt sich krampfhaft an einem Tau fest, das als Geländer diente, und

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