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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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schon zu spät zum Abendessen, und meine Gemahlin wird mich über ihrem eigenen Feuer rösten.« Er lächelte und erhob sich. Sorgfältig sammelte er die losen Blätter von Feylins Bericht ein.
    »Sie würde ihre Energie sicher nicht derart vergeuden, Herr«, erklärte Walvis ernst. »Ihr habt nicht einmal genug Fleisch auf den Knochen, um das Interesse eines verhungernden Drachen zu wecken.« Rohan schloss den Bericht achselzuckend in eine Truhe. Er legte den Schlüssel an einer langen Kette um seinen Hals, reckte sich und trat an die Fenster. Walvis gesellte sich zu ihm. Walvis war inzwischen siebzehn Jahre alt, und in seinem Gesicht kämpften Sommersprossen mit stolzen Bartstoppeln um die Vorherrschaft. Im vergangenen Winter war er vom Knappen zum Ritter aufgestiegen und hatte darum gebeten, weiterhin in Stronghold bleiben und Rohan dienen zu dürfen, in welcher Eigenschaft auch immer. Das sollte der Prinz entscheiden. Rohan war mehr als froh gewesen, ihn behalten zu können. Walvis lernte jetzt das A und O des Präfekten von Ostvel, während die täglichen Pflichten eines Knappen auf einen anderen Knaben übergegangen waren, nämlich auf Sioneds Neffen Tilal. Überglücklich hatte Lord Davvi die Verwandtschaft mit dem mächtigen Prinzen begrüßt, den seine Schwester so unerwartet geehelicht hatte, und seine Gemahlin hatte bereits mehrere Male den Versuch unternommen, sich selbst nach Stronghold einzuladen. Sioned hatte sich dieser Heimsuchung widersetzt. Sie wusste, dass Lady Wisla Vergünstigungen erbitten wollte und dass Rohan, der Sioned liebte und ehrte, diese nicht ablehnen würde. Endlich hatte sie die perfekte Lösung gefunden: Sie wollte ihren jüngsten Neffen in ihren Haushalt aufnehmen. Es gehörte zur Ausbildung eines Knappen, von seiner Familie völlig getrennt zu sein, bis er zum Ritter wurde, und so brauchte Sioned keine weiteren Zudringlichkeiten zu befürchten. Ihre Schwägerin war angesichts der Ehre, dass ihr Sohn in einem prinzlichen Haushalt erzogen werden sollte, schwach geworden und war glücklich in River Run geblieben, um dort jedem gegenüber, den sie kannte, entsprechend anzugeben.
    Rufe drangen jetzt aus dem Garten herauf, und Rohan sah Tilal einen Pfad entlanglaufen, wobei er immer wieder über seinen Umhang stolperte, der ihm viel zu groß war. Ostvels Sohn Riyan jagte mit einem Holzschwert in der Hand hinter ihm her. Tilal ging mit einem sehr realistischen Flügelschlagen zu Boden, als Riyan sein Schwert gegen den »Drachen« erhob. Die beiden Knaben wälzten sich laut lachend im Gras.
    Rohan lächelte, aber sein Herz schmerzte, als er an zwei andere Knaben dachte, beide gerade fünf Jahre alt, so wie jetzt Riyan, die vor Entzücken gekreischt hatten, als sie einen anderen Drachen erlegten. Maarken war im letzten Jahr allein zu Prinz Lleyn gezogen, wo er als Knappe ausgebildet wurde, denn Jahni war an der Seuche gestorben.
    »Tilal mausert sich zu einem prächtigen Kerl«, bemerkte Walvis. »Wenn ich daran denke, was er für ein Biest war …! Ich hätte nie geglaubt, dass ein Blutsverwandter meiner Herrin so schrecklich sein kann!«
    Es hatte Zeit gebraucht und mehr als nur einen Schlag mit Walvis’ flacher Hand, Tilal die Tendenz auszutreiben, sich über die anderen Knappen zu erheben. Inzwischen kannte er seine Pflichten und seinen Platz und versuchte nicht mehr, ständig seine Verwandtschaft mit Sioned ins Spiel zu bringen. Es war jedoch offensichtlich, dass sie nahe Verwandte waren; sie hatten dieselben grünen Augen und die helle Haut, aber Tilal hatte das dunkle Haar seiner Mutter. Diese Kombination ließ ihn auffallen, und schon mit nur zehn Wintern war er auf dem Weg, ein schrecklich selbstgefälliger Mensch zu werden. Aber auch das hatte ihm Walvis in den vergangenen beiden Jahren ausgetrieben.
    »Ihn von seiner Mutter zu trennen war seine Rettung«, fuhr Walvis fort. »Stimmt es, dass sie dieses Jahr zum Rialla kommen wird?«
    »Um ihren kostbaren Sohn zu sehen? Ich habe so etwas gehört.«
    »Meine Herrin wird nicht erfreut darüber sein.«
    Rohan unterdrückte ein Lachen. Ein Großteil von Walvis’ Bemerkungen in den vergangenen sechs Jahren hatte sich um Sioned gedreht, und es war nie schwer gewesen, den Grund dafür zu erkennen. Rohan billigte sein Gefühl. Er selbst hatte Sioned vom ersten Augenblick an geliebt. Sein früherer Knappe war überzeugt, es wäre sein Geheimnis, dass er seine Herrin anbetete, und Sioned ging perfekt mit ihm um. Manchmal spielerisch wie

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