Sonnenlaeufer
Heiterkeit der Räume, die seine Mutter für ihn und Sioned geschaffen hatte, tröstete ihn. Wie immer. Nichts, das seinen Eltern gehört hatte, war geblieben, bis auf das riesige Bett, in dem Generationen von Prinzen empfangen worden waren, ihren ersten Schrei ausgestoßen und ihren letzten Atemzug getan hatten. Die leuchtenden Farben aus Zehavas Zeiten waren dunklen Grün- und Blautönen gewichen, die Sioneds feuergoldenem Glanz und Rohans Blond schmeichelten. Die Tische, Stühle und Schränke aus dem schweren, dunklen Holz waren durch hellere, leichtere Möbel ersetzt worden. Er hatte sich in diesen Räumen kaum wohl gefühlt, als seine Eltern sie bewohnt hatten, und war überrascht gewesen, wie schnell sie für ihn zu einem Refugium geworden waren. Hier hatten er und Sioned sich nächtelang geliebt, hatten sie Geheimnisse und Pläne und Zukunftsträume miteinander geteilt. Und hier hatte er mit ihr auch über den Verlust ihrer Kinder geweint.
Das erste Mal war es im Winter nach ihrer Hochzeit gewesen; das zweite Mal im darauf folgenden Herbst. Sie trug jedes Kind gerade lange genug, dass es ein wenig sichtbar wurde. Als sie im Sommer der Seuche wieder schwanger war, war es nicht die Krankheit gewesen, die ihr das Kind raubte; es war das Dranath gewesen. Die große Dosis, die nötig gewesen war, ihr Leben zu retten, hatte ihre Faradhi- Sinne verwirrt und sie beinahe von der Droge abhängig werden lassen. Selbst bei Normalsterblichen hatte die erforderliche Dosis Halluzinationen hervorgerufen. Rohan konnte sich daran gut erinnern, da er selbst krank gewesen war. Er und Sioned hatten überlebt, ihr Kind jedoch nicht, und seither hatte es kein Zeichen für ein weiteres gegeben.
Rohan ließ sich an einem Tisch nieder, der mit Seide und Silber gedeckt war. Auch die Fironeser Kristallkelche, die Sioned vor sechs Jahren beim Rialla auf dem Markt gekauft hatte, standen dort. Ianthe hatte ihnen damals den Abend verdorben. Bei diesem Gedanken zog Rohan wieder die Stirn kraus. Sie hatte drei hübsche Söhne von drei verschiedenen Liebhabern, und sie hatte sie und ihr Schloss gegen die Seuche geschützt, indem sie befahl, dass jeder, der Anzeichen einer Krankheit erkennen ließ, die Klippen hinabgestürzt wurde. Rohan konnte ihr Verhalten nicht direkt verurteilen. Er wusste, dass er sich wahrscheinlich genauso verhalten hätte. Wenn auch nur die geringste Hoffnung bestanden hätte, seine Mutter oder Camigwen oder Jahni dadurch zu retten, Sioned auch nur einen Augenblick Leid zu ersparen oder das Kind in ihr am Leben zu erhalten. Er selbst hatte sieben Menschen mit seinem Schwert getötet, Menschen, die Dranath gehortet hatten, um es zu überhöhtem Preis zu verkaufen. Aber vor dem Gesetz hatte er gerechte Strafe verhängt, während Ianthe gemordet hatte. Und trotzdem konnte er sie nicht verdammen. Er verstand sie.
Ein kleiner Wirbelwind stürzte herein und vergaß, die Tür hinter sich zu schließen. Rohan stöhnte auf, als Riyans kleine Gestalt an seine Brust prallte, doch er erwiderte die Umarmung.
»Papa sagt, ich soll mich entschuldigen«, erklärte der Knabe. »Es tut mir leid!«
»Ich nehme deine Entschuldigung an, wenn du mich atmen lässt!« Rohan lachte und setzte Riyan auf sein Knie. Camigwens wunderschöne Augen blickten ihn aus dem verschmitzten Gesicht ihres Sohnes heraus an. Rohan verbarg seinen Schmerz über deren Verlust hinter einem Lächeln, als Ostvel in der Tür erschien. »Schimpf nicht mit ihm. Er ist nur gekommen, um mir zu sagen, dass es ihm leidtut.«
»Das sollte es auch. Und jetzt hat er Euer Abendessen gestört!« Grinsend hob Ostvel die Hände. »Sioned sagt, Ihr sollt ohne sie anfangen.«
»Das habe ich bereits.« Er hielt Riyan auf Armeslänge von sich. »Aber wenn es jetzt Zeit für mein Abendessen ist, dann ist es an der Zeit für Euch, junger Mann, ins Bett zu gehen. Nehmt es als königlichen Befehl von Eurem Prinzen.«
Das Kind seufzte. »Als Drache machst du viel mehr Spaß«, jammerte es.
»Das habe ich schon von anderen kleinen Knaben gehört. Es hat damals nichts geholfen, und so ist das auch heute. Ab ins Bett mit dir.« Er stellte den Knaben auf die Füße, und Riyan lief zu seinem Vater. Rohan musste sich abwenden, als er sah, wie die kleinen Finger in Ostvels Hand verschwanden.
»Herr?«
Als er dem Blick seines Freundes begegnete, lächelte er schon wieder sehr beherrscht. Ostvel ließ sich nicht zum Narren halten, aber nur seine Augen verrieten sein Mitgefühl. Laut sagte
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