Sonnenlaeufer
Grenzen zu Syr und Meadowlord besuchen, aus denen der Großteil der Nahrungsmittel für die Wüste kam. Dort wollte sie auf Rohan warten, um gemeinsam mit ihm nach Waes zu reisen.
Sie freute sich auf die Reise. Wenn sie sich auch wünschte, dass Rohan bei ihr wäre, so konnte sie es doch kaum erwarten, ihr Ansehen bei den Vasallen zu kräftigen, in denen sie jetzt ebenso ihre wie Rohans Vasallen sah. Bis spät in die Nacht blieb sie noch auf und ging in Gedanken alles durch, was sie über jeden einzelnen Lord und seinen Besitz wusste, wählte die Geschenke für seine Gemahlin und seine Kinder aus und diskutierte alle Eventualitäten mit Ostvel. Aber vor ihrer Abreise rief das Mondlicht sie gegen Mitternacht noch in den Garten hinaus.
Sie stand vor Prinzessin Milars Brunnen und sah zu, wie sich das Wasser in einen Vorhang aus silbrigem Licht verwandelte. Nichts regte sich, auch nicht der leiseste Windhauch war zu spüren. Tropfen fielen in perfektem Kreisrund auf die blauen und weißen Kacheln, die den weiten Weg von Kierst hierher gebracht worden waren. Sioned ließ sich am Rand des Beckens nieder und tauchte die Finger ins Wasser. Ihre Ringe glitzerten. Was hatte sie Stronghold gebracht?, fragte sie sich. Milar hatte aus der rohen Burg ein Wunder an Schönheit und Bequemlichkeit gemacht. Überall konnte man sie spüren. Was würde Sioned hinterlassen?
Sie kannte ihren eigenen Wert, privat wie auch politisch; die letzten sechs Jahre als Gemahlin und Prinzessin waren eine Herausforderung gewesen, der sie sich gewachsen gezeigt hatte. Abgesehen davon, dass sie kein Kind bekommen hatte. Aber wenn man schon von einer einfachen Ehefrau erwartete, dass sie ihrem Ehemann Söhne schenkte, wie viel mehr erwartete man es dann erst von einer Prinzessin?
Tobin hatte Söhne. Einer von ihnen würde Zehavas Linie fortsetzen, wenn Sioned das nicht vermochte. Ianthe hatte auch Söhne, erinnerte sie sich verbittert – drei gleich, während ihr eigener Vater keinen einzigen hervorgebracht hatte. Wie es schien, hatte Sioned doch etwas mit Roelstra gemein. Aber Rohan würde sich niemals so verhalten wie er, er würde niemals Söhne in den Körpern anderer Frauen suchen. Sie schüttelte den Kopf. Sie hätte den Baum der Mutter aufsuchen sollen, ehe sie die Schule der Göttin verließ, sagte sie sich. Aber wenn sie das getan und gesehen hätte, wie sie mit leeren Armen dastand, dann wäre sie niemals in die Wüste gekommen. Das Mädchen, das sie damals gewesen war, hätte nicht gewusst, dass eine Prinzessin deshalb so wertvoll war, weil sie mehr konnte als bloß männliche Erben hervorbringen.
Aber was immer sie für Rohan darstellte, eines wusste sie: Sie würde niemals die Mutter seiner Kinder sein. Sie spreizte die Finger im Wasser und zählte ihre Ringe – dieser für das Herbeirufen von Feuer, dieser für die Beschwörung des Mondlichts, und ein weiterer zeichnete sie als Lichtläufermeister aus. Sie würde sie alle für einen Sohn geben – alle. Bis auf den großen Smaragd an ihrer linken Hand. Dieser Stein war Symbol der Hoffnung und Erneuerung, der Frühlingsstein der Fruchtbarkeit. Ihre Lippen verzogen sich leicht. Wie sich der Stein doch über sie lustig machte.
Und wie sein grünes Feuer plötzlich funkelte, wie er mit einer Farbgerte nach ihr ausholte. Der Sprühnebel aus Wassertropfen wurde zu einer Quelle feuriger Funken, die direkt vor ihren Fingern niederfielen. Und in diesem Bogen grün-golden-silbernen Lichts sah sie sich selbst, mit einem Kind im Arm.
Ein neugeborener Knabe kuschelte sich nackt an ihre nackte Brust. Rohans goldenes Haar rahmte sein kleines Gesicht im Licht wie eine seidene Kappe. Das Feuer zauberte grünliche Schatten in die blauen Augen des Kindes, als es eine winzige Faust nach ihrem offenen Haar ausstreckte. Sioned sah, wie sie das Baby fester hielt und ihm die Brust gab, damit es trinken konnte. Staunend hielt sie den Atem an. Ein Kind, ein Sohn – aber dann sah sie sich selbst, wie sie aufblickte, und schrak vor den feurigen, wütenden, grünen Augen zurück. Striemen zogen sich über ihre Stirn und eine entblößte Schulter, in die Haut gebrannt von ihrem eigenen Feuer.
Die Vision verblasste, und die Quelle war wieder nur Wasser. Wassertropfen wurden ihr von einem plötzlichen Wind ins Gesicht getrieben. Sie schauderte, zog die Hände aus dem Wasser und trocknete sie abwesend an ihrem Rock. Dann schloss sie die Augen, webte noch einmal den Wasserkreis und sah noch einmal die Vision vor
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