Sonnenlaeufer
einen weiteren Angriff. Rohan fragte sich wütend, ob sie es wohl je lernen würden. Sioned hatte im vergangenen Winter einen Spion in Stronghold ertappt, einen Wanderer, der ein paar Nächte lang bei ihnen Schutz gesucht hatte und dabei erwischt worden war, dass er versuchte, in Rohans privates Arbeitszimmer einzubrechen. Sie war dafür gewesen, den Mann, in viele kleine Kistchen verpackt, zurück an sein Volk zu schicken. So sanft seine Gemahlin sein konnte, so war sie doch von einer gewissen Grausamkeit, wenn es darum ging, die Ihren zu schützen – vor allem Rohan selbst. Sie hatte angeordnet, dass man dem Spion ein Pferd, aber kein Wasser mitgab und ihn in der Wüste aussetzte, mit ein paar harschen Worten als Warnung für seine Merida-Herren.
Aber die gaben niemals auf. Das wusste Rohan nur allzu gut, und es stimmte ihn traurig. Ein Krieg war eine solche Verschwendung an Leben und an Zeit. Aber ihm blieb keine Wahl. Die Merida hatten geschworen, Stronghold einzunehmen und jedes Mitglied von Rohans Familie niederzumetzeln. Also musste er weiter kämpfen und musste sie zurückdrängen. Er musste sie dort festnageln, wo sie keinen ernsten Schaden anrichten konnten. Er verfluchte den Mangel an Alternativen, aber wie es schien, würde er noch einige Jahre mit dem Schwert leben müssen, damit seine Söhne in Frieden leben konnten.
Seine Söhne. Da war es wieder, das verbotene Thema. Er rief Walvis zu sich. Als der junge Mann sich im Sattel formell verneigte, zog er die Brauen hoch.
»Ich übe gutes Benehmen«, erklärte Walvis. »Wir besuchen doch Lord Hadaan, er hängt sehr an der Etikette.«
»Wenn es ihm Spaß macht – oder wenn er sein zweites Auge eingesetzt hat! Mein Vater hat mir erzählt, Hadaan würde das Auge, das er beim Kampf mit einem Drachen verloren hat, in seiner Tasche aufbewahren. Und manchmal tauscht er es gegen das künstliche aus, das er sonst benutzt. Wenn er den Leuten Angst machen will. Ich habe ihn immer angestarrt, versucht herauszufinden, welches das Richtige ist! Aber ich möchte, dass du beide Augen offen hältst, Walvis, und dir Remagev gut ansiehst. Ich kann mir ein paar Veränderungen hier gut vorstellen. Es könnte sich zu einem wertvollen Besitz entwickeln, wenn wir uns etwas Mühe geben. Hadaan ist eher Krieger als Athri , und als wir die Burg das letzte Mal besuchten, war sie in keiner guten Verfassung. Ich würde sie nicht gerne aufgeben müssen.«
»Ich bin noch kein Experte, obgleich Ostvel mich gut unterwiesen hat. Aber ich werde mir alles ansehen, so gut ich kann, Herr, und Euch dann berichten, was ich denke.«
Rohan lenkte das Gespräch auf andere Themen. Er war zufrieden mit seinem Komplott. Wenn sie Remagev verließen, würde Walvis voller Aufregung sein über die Pläne, es zu renovieren, und er würde auch keinen Verdacht hegen, wenn es galt, die Arbeiten zu überwachen. Und dann konnte Hadaan seinen Entschluss bekanntgeben. Wenn alles vereinbart worden war, konnte Sioned anfangen, sich nach einer Braut für den Knaben umzusehen – nach einer Rothaarigen, schoss es ihm durch den Kopf. Rohan würde Walvis zum Athri von Burg Remagev erheben. Hadaan sollte die letzten Jahre seines Lebens ohne die Belastung der Pflichten verbringen, die er ohnehin niemals gern erledigt hatte, und dabei Walvis von den Erfahrungen profitieren lassen, die er in der Wüste gemacht hatte – und am Ende würde Rohan dann eine neu erblühte Burg, einen loyalen Vasallen und die Befriedigung haben, den besitzlosen Knaben für die vielen Jahre belohnen zu können, in denen er ihm zu Diensten gewesen war.
Ja, überlegte er lächelnd, manchmal war es wirklich eine ausgezeichnete Sache, ein Prinz zu sein.
Nachdem Rohan abgereist war, wandte man sich den Vorbereitungen für Sioneds Reise gen Süden zu. Sie wollte sich mit Ostvel direkt nach Radzyn begeben und dort einige Tage verbringen, ehe sie die Besitztümer entlang der Küste bis zum Faolain bereisten. Sioneds Bruder, Lord Davvi, sollte dort den Fluss überqueren und sie auf Rohans Vorschlag hin privat treffen, sowohl um der Familienpflicht Genüge zu tun als auch aus politischen Gründen. Prinz Jastri, ein Verwandter des Athrim von River Run, hatte die Nachfolge im Prinzenreich seines Vaters Haldor angetreten, und Rohan hatte ein paar Ideen für die Erweiterung des kleinen Hafens an der Flussmündung. Eine Zusammenarbeit könnte sich hier als gewinnträchtig erweisen. Sioned würde dann nordwärts reisen und die reichen Ländereien an den
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