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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Nordens! Erwähnt nur den Namen Merida, und sie greifen nach dem nächstbesten Schwert! Am besten holt Ihr sie ein, mein Junge, sonst übernimmt sie noch persönlich das Kommando über die Truppen!«
    Das persönliche Kommando über die Truppen war genau das, was Sioned selbst übernehmen wollte, als sie sich von Kleves Nachricht erholt hatte, Lord Baisal, dessen Eingabe um eine neue Steinburg einen Spaziergang bei Sonnenuntergang über den vorgeschlagenen Bauplatz einschloss, hatte vor Erstaunen zu stottern angefangen, als Sioned mitten in einem Satz zu sprechen aufhörte und den abwesenden Ausdruck eines Lichtläufers annahm, der sich über das Licht unterhielt. Sechs Jahre zuvor war er Zeuge ihrer Vorstellung in der Großen Halle in Stronghold gewesen, als sie das Mondlicht benutzt hatte, um den abtrünnigen Lichtläufer zu packen, der für Roelstra spionierte, aber so nah bei einem Faradhi zu stehen, während der mit dem Licht arbeitete, noch dazu bei einem Lichtläufer, der gleichzeitig seine Herrin war, das war etwas ganz anderes.
    Sein Gestammel verstummte bei den ersten Worten, die sie wieder an ihn richtete. Baisal, ein ruhiger, unkomplizierter Mann, fuhr zurück, als sie ihm wutbebend befahl, seine Untergebenen für eine Inspektion am folgenden Morgen zusammenzurufen und zu demselben Zweck auch Reiter in die umliegenden Gutshöfe und Burgen zu senden. Die Ungeheuerlichkeit dieser Anordnung raubte ihm einen Moment lang die Sprache. Als er sich wieder gefasst hatte, marschierte sie schon mit langen Schritten auf die Mauern der Burg zu, und er musste rennen, um sie einzuholen.
    »Aber – Herrin – Vorräte, Pferde, Waffen!«, stöhnte er. »Das lässt sich nicht an einem einzigen Tag vorbereiten.«
    »Ihr werdet Entschädigung für alles das erhalten, was Ihr zusätzlich zu dem liefert, was Ihr für gewöhnlich in Kriegszeiten aufbringt. Ich bin kein Dieb. Pferde grasen auf Euren Weiden. Fangt sie heute Nacht ein, und haltet sie morgen früh gesattelt für mich bereit! Was die Waffen angeht – was seid Ihr für ein Athri , dass Ihr sie nicht jederzeit griffbereit habt?«
    »Ein friedliebender!«, rief er, bebend vor Empörung. »Herrin, warum sprecht Ihr von Krieg? Was ist geschehen?«
    »Roelstra«, zischte sie. »Roelstra und seine Tochter Ianthe. Lord Baisal, ich fordere Euch hiermit offiziell als meinen Lehnsmann auf, Euren Prinzen aus den Händen der Tochter des Hoheprinzen in Schloss Feruche zu befreien. Ist das deutlich genug für Euch?«
    Baisal blieb bei ihren Worten abrupt stehen. Sie ging ohne ihn weiter. Sioned wusste, wenn sie stehen blieb, um ihre eigenen Gefühle ganz oder auch nur lange genug zu erklären, dann würde sie zu schreien anfangen. Rohan wurde von Ianthe gefangen gehalten – die Tilal zweifellos freigelassen hatte, damit er Einzelheiten übermittelte, die sich Sioned mit eigener Fantasie ausmalen konnte. Der Aufruhr, der auf einmal im Mittelhof entstanden war, bedeutete da eine willkommene Abwechslung für sie, und sie konzentrierte sich darauf, Ostvel unter den Menschen auszumachen.
    Stattdessen traf sie ihren Bruder.
    »Sioned!«, rief er aus, als er sie erblickte. Er warf seine Zügel einem Stallknecht zu und eilte herbei. Er ließ sie in einer Umarmung versinken, die nach Schweiß, Pferd und Leder roch. Verblüfft blickte sie über seine Schulter und registrierte endlich, dass der Hof überfüllt war.
    »Davvi!« Sie stemmte sich von ihm ab und starrte ihren Bruder mit offenem Mund an. Es war das erste Mal, dass sie ihn sah, seit er vor zwei Jahren Tilal nach Stronghold gebracht hatte. »Was machst du hier? Und all die Soldaten in voller Rüstung – Davvi, erklär mir das!«
    Die grünen Augen ihrer Mutter betrachteten sie von oben herab. Er war zwölf Jahre älter als sie, aber der Staub, der sich in den feinen Fältchen um seine Augen gesammelt hatte, ließ ihn doppelt so alt wirken. Furchen schnitten in seine Wangen, bildeten den Rahmen für die zusammengekniffenen Lippen.
    »Ich habe alle Soldaten gebracht, die ich mitnehmen konnte – natürlich nicht alle in einer Gruppe, sonst hätte Jastri noch Verdacht geschöpft. Zwei weitere Trupps mit jeweils zwölf Mann folgen mir, aber ich habe den kürzesten Weg genommen. Die anderen sollten auch morgen oder so hier sein.«
    »Wovon redest du überhaupt? Was würde Jastri vermuten?«
    »Komm mit in die Halle, dort können wir uns unterhalten. Ich bin erschöpft. Ich bin zwei Tage lang geritten, ohne zu schlafen – oder waren

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