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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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seit Ianthe. Rohan wandte sich von dem Abendessen ab, das man vor ihn gestellt hatte. Essen, Wein, selbst Wasser war ihm verdächtig. Er traute weder seiner Zunge noch seiner Nase, denn alles schmeckte und roch für ihn nach Dranath . Er hatte das Schlimmste hinter sich, denn er hatte in den letzten Tagen nur Dinge gegessen, die er für wenig gefährlich hielt – Obst, das er selbst schälte, Drachenschwanzkaktus-Wurzeln, von denen er die Soßen abgewaschen hatte, und ein paar andere Sachen. Sein Magen knurrte immer wieder vor Leere, aber er hatte keine andere Möglichkeit, sicherzugehen, dass er nichts mehr von der Droge zu sich nahm. Er fand, es war eine Ironie, dass das Dranath , das seine Drachen gerettet hatte, eine so große Gefahr für ihn darstellte.
    Aber er konnte sein Handeln nicht ausschließlich seiner Verwirrung durch die Droge und das Fieber zuschreiben. Sein Blick glitt in die Ecke, wo er die obszönen Vorhänge und den Wandteppich gestapelt hatte. Er hatte alles herabgerissen, nachdem Ianthe ihn verlassen hatte, beschämt und wütend angesichts der Erinnerungen, die sie in ihm erweckten, und er wünschte, er wäre Faradhi – dann hätte er sie in Brand setzen können. Aber ihm war nicht einmal eine einzige Kerze erlaubt, geschweige denn ein Hilfsmittel, diese auch anzuzünden. Die Stickereien waren auch nutzlos, wenn er an Flucht dachte, denn sein Gemach lag sieben Stockwerke hoch über dem Hof. Und er hatte die Absicht, nur dann zu sterben, wenn er Ianthe mit in den Tod nehmen konnte.
    Sie war schlau und vorsichtig gewesen. In seinem Zimmer fand sich nichts Scharfes, nicht einmal Messer oder Gabel zum Essen. Außerdem gab es nichts, das schwer genug gewesen wäre, um sie umzuwerfen, oder dünn genug, um in eine wirksame Schlinge gedreht zu werden. Alles, was er hatte, waren seine Hände – seine schuldigen, verräterischen Hände, die das Leben schon vor sechs Nächten aus ihr hätten herauswürgen sollen. Er hätte sie bereits damals töten sollen.
    Er fragte sich, wann sie wieder zu ihm kommen würde. Ob überhaupt. Er hatte niemanden außer dem Wachtposten gesehen, der ihm sein Essen brachte. Er beschäftigte sich damit, zu beobachten, was draußen vor seinen Fenstern vorging, und prägte sich ein, wann die Mahlzeiten eingenommen und die Wachen gewechselt wurden, aber auch die Anzahl von Soldaten und Bediensteten. Zwei Tage lang hatte er das Schloss zu diesem Raum bearbeitet, ohne etwas zu erreichen. Sein Wächter hatte die schweren, bronzenen Vorhangstangen entfernt; es gab kein anderes Möbelstück als das schwere Bett, um daraus eine Waffe anzufertigen; nichts in dem großen Zimmer, das er hätte benutzen können. Und Flucht kam für ihn nicht in Frage.
    Jemand musste kommen, um ihn zu befreien. Ein Sturm auf das Schloss, ein Versuch, ihn zu holen, irgendetwas. Er verachtete sich selbst, weil er sich auf andere verließ, während er einen Ausweg suchte, aber ihm blieb keine andere Hoffnung. Allmählich machten sich in ihm Entsetzen und der Gedanke breit, dass seine eigene Gefangennahme nur ein kleiner Teil eines weit umfassenderen Planes war und dass alle anderen entweder gefangen oder tot waren. Eingesperrt und rastlos lief er Nacht für Nacht auf dem bloßen Steinboden hin und her, beschwor vor seinem geistigen Auge nicht nur die Zerstörung von Feruche, sondern auch die der Felsenburg und der ganzen Prinzenmark. Er sah sich selbst an der Spitze der Wüstenarmeen, wie er das Land verwüstete und Rache nahm. Und den Hoheprinzen richtete er persönlich mit seinem Schwert hin, während die anderen Prinzen und Lords zusahen und angesichts dieser Demonstration seiner Macht erbebten.
    Hübsche Vorstellung, sagte er sich verbittert. Sein Schwert, das den Tod brachte. Land, kahl und tot, Tausende von Toten, Zehntausende, die heimatlos waren. So viel zu seinen Idealen. All die prächtigen, kindischen Vorstellungen seiner Jugend, dahin wie Sand im Wind, und er sah sie verschwinden und empfand nichts weiter als Scham.
    Nicht, weil sie vergingen oder weil er sie gehen ließ. Scham darüber, dass er sich so getäuscht hatte. Das Leben war nicht zivilisiert. Die Menschen waren nicht bereit, das Gesetz zu befolgen. Sie alle waren Barbaren, und Rohan selbst war der schlimmste. Er war ein Prinz, mit der Macht der Wüste und dem Reichtum des Drachen an seiner Seite. Er hatte sich zum Narren gemacht, als er sich sagte, er wäre besser als die anderen, er mit seinen edlen Zielen und seinem Ehrgeiz. Die

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