Sonnenlaeufer
Manöver, das von Roelstras Haupttrupp ablenken sollte. Aber Plan und Ausführung waren zwei völlig verschiedene Dinge. Jastri mit seinem ungeübten Trupp junger Adliger zeigte sich dem Hagel von Pfeilen und Speeren nicht gewachsen, der sie eine volle Länge früher empfing, als sie es erwartet hatten. Entsetzt und wütend wurde der junge Prinz zu einem wirren Rückzug gezwungen. Er verlor neununddreißig von seinen einhundert Pferden an die Bogenschützen der Wüste und an den Fluss. Lord Davvi, den Chay mit diesem Hinterhalt betraut hatte, ging mit nur geringen Verlusten daraus hervor und kehrte außerdem rechtzeitig zurück, um noch Bericht zu erstatten.
Am späten Nachmittag hatten Roelstras Truppen jedoch einen Teil der Küste besetzt, an dem sie sich krampfhaft festhielten. Chay zog sich zurück. Er war bereit, ihnen das Land für den Augenblick zu überlassen. Er war nämlich nicht bereit, weitere Leben zu opfern, um das Land zurückzuerobern. Er ließ genügend Bogenschützen zurück, dass sie weitere Vorstöße abwenden konnten, und zog sich mit seinen Truppenführern, seinem Sohn und Lord Davvi in sein Zelt zurück.
»Verluste: achtzehn Pferde, siebenunddreißig Fußsoldaten, vierzehn Bogenschützen«, fasste er zusammen, nachdem sie ihm Bericht erstattet hatten. »Die Späher halten die feindlichen Verluste für doppelt so hoch, aber sie sind auch doppelt so viele wie wir. Ich bin nicht an einem Zermürbungskrieg interessiert.« Er spielte mit einem juwelenbesetzten Speisemesser, einem Geschenk von Tobin, und sah zu, wie der Kerzenschein sich in den Rubinen und dem Stahl brach. »Aber wir haben jetzt einen Vorteil.«
Lord Davvi drückte die Überraschung der anderen in einem einzigen Wort aus: »Welchen?«
Chay lächelte hart. »Ich schätze ihre Zahl auf über siebenhundert, und bis morgen früh wird wohl ungefähr die Hälfte davon auf dieser Seite des Flusses sein. Ich wünsche regelmäßige Berichte über die Anzahl von Männern, Pferden und Vorräten, die im Laufe der Nacht herübergebracht werden.«
»Wir sollten die Brücken niederbrennen, Herr.«
»Nein, Gryden«, widersprach Chay seinem Hauptmann der Wache. »Noch nicht. Wenn die Hälfte ihrer Streitmacht hier in unserer Reichweite ist, erst dann werden wir die Brücken hinter ihnen niederbrennen.« Mit seinem Messer zog er eine Linie auf der Pergamentkarte. Es hinterließ eine tiefe Narbe. »Ich will Roelstra etwas wirklich Spektakuläres zeigen.«
»Warum nicht jetzt, wo uns weniger von ihnen entgegentreten können?«, wollte Davvi wissen.
»Weil ich den Hoheprinzen in zwei Schlachten vernichten will. Zwei – mehr können wir uns nicht leisten. Wenn wir die Hälfte seiner Armee niedergemetzelt haben, überqueren wir den Faolain und machen mit der anderen Hälfte dasselbe.«
»Aber wenn die Brücken niedergebrannt werden …«
»Dazu habe ich auch meine Ideen. Nein, Gryden, du wirst die Ingenieure nicht zusammenrufen und anfangen, Bäume zu fällen. Unsere Brücken werden ganz anders sein als die von Roelstra. Noch Fragen?« Er sah sie der Reihe nach an und stellte fest, dass sie verwirrt waren, genau wie es seine Absicht gewesen war. Zehava hatte ihm vor langer Zeit beigebracht, die Pläne für seine Kriegsführung so lange wie möglich geheim zu halten; das hatte nichts mit Vertrauen zu tun, sondern mit Vorsicht. »Also schön. Das war’s dann.«
Maarken blieb und nahm sich die Ausrüstung seines Vaters zum Putzen vor. Chay sah zu, wie der Knabe sich in der Nähe einer Lampe mit einem klaren Glasschirm auf dem Teppich niederließ. Seine geschickten Finger begannen sorgfältig mit ihrer Arbeit und rieben an dem matten Schmutzfilm auf dem Stahl.
»Du solltest im Bett sein«, bemerkte er.
»Ein Knappe schläft erst, wenn sein Herr es tut …«, erwiderte Maarken.
Chay lächelte. »Hübscher Versuch. Jetzt kannst du mir ja sagen, was dich wirklich beschäftigt.«
Der Knabe blickte auf und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu. »Vater, du brauchst keine Bogenschützen und Pfeile, um die Brücken in Brand zu stecken. Du hast mich.«
Chays Gedanken wirbelten durcheinander. Er hatte nie sehr auf die verschiedenen Stufen der Faradhi -Ausbildung geachtet, jedenfalls nicht, bis Sioned angefangen hatte, seine Gemahlin zu unterweisen. Zehn Ringe für einen Herrn oder eine Herrin der Schule der Göttin, sieben für einen Lichtläufer-Meister – »Meine Art von Feuer wird die Brücken nicht so stark beschädigen, wenn ich vorsichtig
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