Sonnenlaeufer
Angriff kam nicht, und Tobin fing an, unruhig zu werden. Die Reiter waren in Reichweite. Sie konnte fast die Augenfarbe hinter den Helmen mit ihren langen Nasenstücken und dem Wangenschutz erkennen.
Endlich durchfuhr ein langes, dünnes Heulen die Hitze, der Ton eines Horns, das aus Drachenbein gefertigt war. Die aufsteigenden Töne erschreckten die Pferde unten, und Pfeile schossen zwischen der Schlucht und dem Torhaus hin und her. Es war genau so, wie Maeta es geplant hatte – das schrille, schmerzerfüllte Wiehern der Pferde, als sie scheuten und sich aufbäumten und versuchten, den Pfeilen zu entgehen, die sich in ihr Fleisch bohrten, und die Rufe und Flüche der Reiter, wenn Stahl durch das Leder drang. Tobin zielte, spannte und ließ ihre Pfeile fliegen, alles mit kühler Regelmäßigkeit, und zwanzig andere taten dasselbe.
Acht gefallen, neun, zehn – sie begriff, warum Maeta gewartet hatte, bis auch die letzte Reihe der Pferde in Reichweite war, denn die verletzten hinten drängten die anderen vorwärts, und gefallene Pferde würden einen Teil der Straße versperren, sollten die Merida sich zum Rückzug entschließen.
Aber sie traten den Rückzug gar nicht an, und ganz plötzlich stürzte ein braun gekleideter Körper schreiend von Strongholds Stadttor und schlug dumpf auf dem fest getrampelten Sand dort unten auf. Über Tobin und ihr gegenüber befand sich ein Dutzend Bogenschützen. Sie hockten auf einem Sims, der sich über die Schlucht erhob. Tobin hatte keine Zeit, sich zu fragen, wie sie dorthin gelangt waren, denn sie hörte das Zischen eines Pfeiles und das Klirren von Stahl, als er auf den Felsen neben ihrer Schulter auftraf. Sie änderte ihre Haltung, zielte, schoss und hörte Maeta Befehle brüllen, dass alle auf Tobins Seite des Tores es genauso machen sollten. Die anderen waren nicht in der Lage, auf diesen neuen Angriff zu reagieren.
Ein weiterer von Strongholds Bogenschützen fiel. Er stürzte herab wie ein gefallener Drache, einen Pfeil in der Brust. Die Reiter griffen die ersten Tore an, öffneten eines und drangen in den langen Tunnel ein. Maeta befahl eine Neugruppierung oberhalb des äußeren Hofes, wo sie außerhalb der Reichweite der Meridapfeile waren und die Reiter fällen konnten, wenn diese die inneren Tore stürmten.
Tobin hob ihren zweiten Köcher mit einem erstickten Fluch auf, der halb Ärger, halb Schmerz ausdrückte. Ein Pfeil hatte ihren Schenkel gestreift, aber sie merkte es erst jetzt, als sie sich bewegen musste. Es fiel ihr schwer, von ihrem Platz herabzuklettern, und noch immer fluchend stolperte sie ins Pförtnerhaus.
Sie folgte den anderen durch einen schmalen Gang zu den Schießscharten oberhalb der Innentore. Die Bogenschützen nahmen – jetzt mit grimmigen Gesichtern – ihre Plätze ein. Die Atmosphäre der Vorfreude auf einen leichten Sieg war dahin. Die alte Myrdal stand unten im Hof und brüllte ihre Befehle den Bediensteten zu, die sich mit Schwertern, Speeren und Schutzschilden gewappnet hatten – mit allem, was Ostvel und der Rest der Wache aus Stronghold nicht mit nach Remagev genommen hatten.
Maeta unterzog Tobins Bein einer groben Inspektion und versorgte es dann mit einem noch gröberen Verband, der nach Kräutern stank. »Ich Superkluge«, erklärte die Kommandantin verbittert. »Aber keine Sorge – wir kriegen sie auf dieser Seite. Ich habe deine Söhne in die Passage hinten bei der Grotte bringen lassen. Nur vorsichtshalber.«
»Welche Passage bei der Grotte?«, fragte Tobin, aber Maeta war bereits gegangen.
Welche Salbe auch immer auf dem Verband gewesen war, sie linderte die Schmerzen, und Tobin hinkte nicht mehr, als sie sich in der Nähe eines Mannes einfand, der einen ähnlichen Verband um den abgebrochenen Schaft eines Pfeiles in seiner Hüfte trug. Blut sickerte hindurch, und er konnte sein Bein nicht belasten, aber er war dennoch bereit, als sie darauf warteten, dass die Merida durch die Tore direkt unter ihnen stürmten. An dieser Stelle sollten die Bogenschützen aus Stronghold den Merida in den Rücken schießen.
Tobin und der Mann tauschten ein Lächeln aus – aber die Tochter eines Kriegsprinzen wurde abrupt zur Mutter von Zwillingssöhnen, deren trotzige Rufe aus dem Hof unter ihr heraufdrangen. Während die Merida die Tore bearbeiteten, bearbeiteten Sorin und Andry mit langen Küchenmessern kleine Schilde, die zum Training verwendet wurden, Schilde, fast so groß wie sie selbst.
»Nein!«, schrie Tobin. »Andry! Sorin!
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