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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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an sich haben?«
    »Seine Geburt!« Rohan schleuderte den Kelch durchs Zelt, und der Wein hinterließ einen karmesinroten Fleck auf dem Stoff, ehe er zu Boden tropfte. »Er hätte Sioneds Sohn sein sollen!«
    »Warum denkst du, dass das nicht sein kann? Maarken ist jetzt genauso Lleyns Sohn wie Tobins und meiner. Rohan, es ist nicht so, dass zwei Menschen auf der Welt allein dafür verantwortlich sind, was aus einem Kind wird. Ianthe trägt das Kind vielleicht aus, aber er wird euer Sohn sein, deiner und Sioneds. Ihr beide werdet ihn aufziehen.«
    Rohan legte sich auf seiner Pritsche nieder und starrte zum Zeltdach empor. Er schwieg lange Zeit. Schließlich seufzte er leise und sagte: »Du hast recht. Die Macht erschreckt mich. Nicht die alltägliche Macht, die Prinzen nun einmal haben – dass sie entscheiden können, wer den größeren Anspruch auf Weideland hat, und befehlen, eine neue Burg zu bauen oder eine alte erneuern zu lassen. Es ist diese Art von Macht, Chay – die Armee um mich her, Macht, die mir zur Verfügung steht, einfach weil ich ein Prinz bin, und dass ich entscheide, wer sterben wird und wer nicht. Ich akzeptiere es als meine Verantwortung, aber ich werde niemals glauben, dass mir irgendetwas das Recht dazu gibt. Ich bin nicht weise. Ich bin nicht schlau.« Er legte eine Hand über seine Augen. »Ich bin bloß verängstigt.«
    Zum ersten Mal seit Zehavas Tod schnitt Rohan nicht schlechter ab, als Chay Vater und Sohn verglich. Zehava hätte einen Weg gewählt und wäre ihn ohne weiteres Nachdenken gegangen. Aber der Sohn unterschied sich von seinem Vater dadurch, dass er wirklich alles ständig daraufhin untersuchte, ob es richtig war. Rohan fragte und zweifelte und suchte nach verborgenen Wahrheiten und Motiven. Genauso würde es sein, wenn der Tod des Hoheprinzen ihm Wege zu noch größerer Macht eröffnete. Rohan würde sie niemals arrogant beschreiten, nie blind sein für alles andere. Er würde nicht so leben, dass er nie das Recht in Frage stellte, zu tun, was er wollte. Er würde immer fragen – und dies machte ihn weise. In diesem Moment hörte Chay auf, zu bedauern, dass der Sohn seinem Vater nicht ähnlicher war. Er wäre beiden gefolgt, wohin auch immer sie ihn führen mochten, aber bei Rohan wusste er, dass der Weg immer der richtige sein würde.

Kapitel 29

    Diesmal begab sich Sioned nicht allein nach Feruche.
    Als Ianthes Zeit näher kam, schmiedeten Tobin und Maeta in aller Stille Pläne, die sie erst dann mit dem zögernden Ostvel besprachen, als alles so weit vorbereitet war, dass er praktisch keine Einwände mehr erheben konnte. Wenn er auf ein anderes Ende gehofft hatte als das, welches die Zeit über unausgesprochen blieb und doch von allen erwartet wurde, so war diese Hoffnung jetzt dahin. Rohan und Chay saßen im Süden fest, und obwohl Tiglaths Kämpfer jetzt frei waren und Feruche hätten angreifen können, hatte Sioned Walvis befohlen, in der Stadt zu bleiben. Das Kind musste heimlich entführt werden, wenn sie eine Chance haben wollte, es als ihr eigenes auszugeben.
    Dass Ianthe sterben würde, war etwas, das ebenfalls allen klar war und das ebenfalls nicht ausgesprochen wurde. Eines Abends zu Winteranfang präsentierten Tobin und Maeta Sioned Pläne, wie sie ins Schloss eindringen konnten. Sie nickte bloß. Ianthes Name wurde nicht einmal erwähnt.
    In den klaren Herbsttagen war Ianthe häufig auf den Zinnen von Feruche herumgeschlendert, fast so, als wüsste sie, dass Sioned sie beobachtete. Für gewöhnlich wurde sie von ihren Söhnen begleitet, und Sioned fragte sich verbittert, warum die Göttin es für angebracht gehalten hatte, eine solche Frau so reich zu beschenken. Als Ianthes Schwangerschaft weiter fortschritt, konnte Sioned ihren Neid manchmal kaum ertragen. Aber nun war Ianthes Last zu schwer, um noch große Spaziergänge zu erlauben. Sie schlief unruhig in dem riesigen Bett mit den Drachenvorhängen, denn Rohans Sohn zappelte rastlos in ihrem Leib. Ihr Neid wurde zu Hass, als Sioned den großen Smaragd an Ianthes Finger funkeln sah. Die Herrin von Feruche besaß Dinge, die ihr von Rechts wegen nicht gehörten, und Sioneds Bedürfnis, zurückzufordern, was ihr gehörte, drohte ihr mühsam gewonnenes Gleichgewicht zu stören.
    Nachdem die Pläne für die Reise nach Feruche feststanden, verfiel Sioned einige Tage lang in ein sonderbares, abwartendes Schweigen. Tobin verstand; wenn sich bei ihr die Zeit der Geburt näherte, war sie selbst auch immer

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