Sonnenlaeufer
erbärmlich, seine Zunge wölbte sich dick in seinem Mund vor Sehnsucht nach Dranath , und seine Finger zitterten, als er die Hände um die Decken krampfte. Aber er war an das körperliche Unbehagen gewöhnt und wusste, wie viel er ertragen konnte. Er hatte sich jedoch niemals an den Verrat all dessen, was er wirklich war, gewöhnen können.
Vor fünf Jahren war er auf dem Weg nach Norden gewesen, nach Fessenden, wo er auf Lady Andrades Geheiß hin einen Faradhi ersetzen sollte, der bei einem Bergunfall ums Leben gekommen war. Crigo war angesichts dieser Ehre schrecklich aufgeregt gewesen und entzückt von der weiten Reise durch das Land, denn abgesehen von der Schule der Göttin und seinem heimatlichen Gut in Grib war er in seinem ganzen Leben noch nirgendwo gewesen. Seine Eindrücke hatte er auf dem Sonnenlicht zu seinen Freunden in der Schule der Göttin gesandt. Das hatte sie viele Tage lang amüsiert und neidisch werden lassen. Doch kaum hatte er die Prinzenmark erreicht, als es nötig wurde, einen Nebenfluss des Faolain zu überqueren, und schon diese kurze Fahrt über ruhiges Wasser hatte ihn bewusstlos werden lassen. Und im selben Augenblick hatten die Männer des Fürsten ihn gepackt.
Crigo war nicht gefesselt worden; dazu bestand keine Notwendigkeit. Sie mussten nichts weiter tun, als ihn auf dem Fluss lassen. Daher war er eigentlich jeden Augenblick frei zu gehen – aber ihm war übel, er zitterte und war unfähig, an etwas anderes zu denken als an sein körperliches Elend, und so war die Reise flussabwärts zur Felsenburg kaum in sein Bewusstsein gedrungen. Als er schließlich wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war, lag er in einem weichen Bett in einem luxuriösen Zimmer. Dieser Raum, mit den Brokatvorhängen und dem Blick auf die Berge, war sein Gefängnis geworden – denn in diesem Zimmer hatte ein Krug mit Wein gestanden, der mit Dranath versetzt war.
Anfangs hatte er es nicht gewusst. Lady Palila selbst hatte ihm den Wein gebracht, und die Tatsache, dass sie ihn bediente, war ihm nicht ungewöhnlich erschienen, da er als Lichtläufer daran gewöhnt war, überall mit Respekt und Gastfreundschaft empfangen zu werden. Sie hatte ihm erzählt, dass man die Schule der Göttin benachrichtigt hätte, dass er in Sicherheit sei, und dass er sich nicht zu sorgen brauche. Sie hatte nur aus Lächeln und Zuvorkommenheit bestanden. Daher hatte er keinen Verdacht gehegt.
Aber der Wein hatte sich verändert. Die Überquerung des Wassers war nichts gewesen im Vergleich zum Verlust von Dranath in diesen regnerischen Tagen des Spätherbstes, als sich die Sonne vor ihm verbarg und die Monde hinter den Wolken verschwanden. Sein körperliches Leiden wurde noch durch die Tatsache verschlimmert, dass er jetzt voll bei Verstand war. Schließlich war der Fürst eines späten Abends nach einer Feier persönlich zu ihm gekommen, eingehüllt in einen Umhang aus Goldstoff, der im Schein des Feuers funkelte. Sein Strahlen schmerzte Crigos Augen und sandte Schwerter aus Feuer in sein Gehirn. Nachdem er den Wein getrunken hatte, den Roelstra ihm anbot, hatte er mit wachsendem Entsetzen zugehört, als der Fürst genau erklärte, warum sich Crigo jetzt besser fühlte.
Seit jener Nacht hatte er sich unzählige Male gefragt, warum er denn nicht den Tod gewählt hatte. Darauf gab es einfache Antworten: Er war jung, er liebte das Leben, er hatte geglaubt, von der Droge loszukommen, er hatte beabsichtigt, Lady Andrade heimlich davon in Kenntnis zu setzen. Doch schon vor langer Zeit war ihm klargeworden, dass all diese Antworten nichts als Lügen waren. Zwischen den Laken schaudernd fragte er sich verbittert, warum er noch immer solche Scham empfinden konnte, und schloss die Augen angesichts des kühlen Silberkruges auf seinem Tisch. Er hasste ihn und sehnte sich nach ihm, er segnete ihn und verfluchte ihn. Er hatte Macht über ihn, so sicher, wie auch Roelstra Macht über ihn hatte. Und das war die einzige Antwort, die zählte.
Seit jener Nacht hatte er Tausende von Malen für den Hoheprinzen das Licht beschritten, hatte seine Faradhi- Talente eingesetzt, um mit Roelstras Spionen an den wichtigsten Höfen in Verbindung zu treten. Heute hatte er seinen regelmäßigen Kontakt mit Strongholds Kellermeister hergestellt, hatte sich gegen diesen habsüchtigen Geist gestählt, um die Information zu erlangen, die der Fürst wünschte. Heute Abend würde er das Mondlicht benutzen, um den Kellermeister erneut anzurufen, und diesmal sollte er
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