Sonnenlaeufer
ihre Vorkehrungen auch noch seine Macht steigerten. Sie würde sich politisch unersetzlich für ihn machen und einen winzigen Gewinn für sich persönlich aus den Bestechungsgeldern der Prinzen und Lords holen, die die ansonsten nutzlosen Töchter des Fürsten zu ehelichen begehrten.
Sie ging zu ihren eigenen Töchtern hinüber und umarmte sie, laut lachend aus Vorfreude auf den Tag, an dem sie sie mit den reichsten und wichtigsten Männern des ganzen Prinzenreiches verheiraten würde. Aber sie waren noch sehr jung, und sie brauchte sich noch keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen. Derzeit hielt sie Ausschau nach Männern, die die legitimen Töchter heiraten könnten, und ihr erstes Opfer sollte Prinz Rohan sein. Es ging das Gerücht, er wäre nachdenklich, also würde ihm Naydras ruhige Art vielleicht gefallen; aber es hieß auch, dass er gelegentlich beide Augen zukniff, also würde ihm vielleicht Lenalas Dummheit zusagen. Palila nahm sich vor, dass weder die kluge Ianthe noch die verschlagene Pandsala ihn bekommen sollten, denn die Vorstellung, eine von beiden könnte mit einer solchen Macht verheiratet sein, war unerträglich.
»Sieh sie dir nur wieder an«, wisperte Pandsala Ianthe zu. »Diese Ziege!«
Ianthe lächelte süßlich. »Lenala, du kannst nicht mit dem Pferd auf dem Reiter spielen, Liebes. Naydra, erklär ihr bitte noch einmal die Regeln, ja? Sala und ich werden einen Spaziergang machen.«
Das jüngere Paar verließ das ältere und schlenderte über den Rasen. Weinreben zauberten Farbflecken auf grob behauene Steinmauern, die zweimal so hoch waren wie die Prinzessinnen und den Garten schützten, so dass auch die Felsenburg nach außen abgeschlossen war. Und damit ihre ganze Welt. Sie konnten förmlich spüren, wie die Klippen jenseits der Mauer steil nach unten abfielen, spürten das Rauschen des Faolain weit unten, genauso wie sie auch, ohne sich umzudrehen, den stummen, turmbewehrten Klotz der Burg in ihrem Rücken spürten. Generationen ihrer Ahnen hatten daraus die imposanteste Burg in allen Prinzenreichen gemacht. Die Fülle von Räumen und Korridoren, von Vorzimmern und Treppenhäusern wurde gekrönt von Türmen und Erkern überall dort, wo die Erbauer Raum zum Atmen gefunden hatten – mit dem Ergebnis, dass es jetzt inmitten der Massen aus grauen und schwarzen Steinen keinen Raum zum Atmen mehr gab. Es hieß, dass vor langer Zeit die Drachen diese Klippen zu ihrem sommerlichen Heim für die Jahre auserkoren hätten, in denen sie sich nicht paarten, und dass sie so zahlreich durch die Wolken geflogen wären, dass sie die Sonne versperrten. Ianthe und Pandsala wünschten sich ebenso verzweifelt wie einst die Drachen, von diesem Ort zu fliehen.
Pandsala pflückte eine Rose von der Wand und steckte sie sich ins Haar. »Wann unternehmen wir endlich etwas wegen Palila?«
»Ich habe darüber nachgedacht.« Ianthes Augen funkelten lustvoll. »Hast du bemerkt, wie viele Frauen es hier in der Felsenburg gibt? Und wie viele davon schwanger sind?«
»Das muss in der Luft liegen«, antwortete Pandsala und verzog das Gesicht. »Die Frauen brüten, und Töchter schlüpfen aus.«
»Nicht immer.«
Pandsala runzelte die Stirn und starrte ihre Schwester an. Ianthe lachte. »Für den Fall, dass Palila einen Sohn bekommt – was nicht wahrscheinlich ist, aber alles ist möglich –, habe ich mehrere Mädchen im Auge, deren Schwangerschaft in etwa so weit gediehen ist wie ihre.«
»Warum machen wir mit ihr nicht dasselbe, was sie mit der armen Surya getan hat?«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, gab Ianthe zu. »Aber ihre Leibdiener sind absolut loyal – die Göttin allein weiß, warum! Sie schläft entweder mit Vater oder hat Wachen vor ihrer Tür und zwei Frauen auf dem Boden ihres Zimmers. Sie geht nicht reiten, sie verlässt niemals unseren Grund und Boden, sie badet nicht mit uns anderen, und sie isst niemals etwas, was nicht ihre eigenen Diener zubereitet haben. Wenn du trotzdem eine Gelegenheit findest, hast du meine volle Unterstützung!«
»Ich war immer schon der Meinung, ihr ›empfindlicher Magen‹ wäre eine dumme Ausrede.«
»Sie traut uns genauso wenig wie wir ihr. O ja, sie macht uns schöne Augen und tut so, als wären wir alle die besten Freundinnen. Ich weiß nicht, wen sie damit zum Narren halten zu können glaubt – Vater gewiss nicht!«
»Den kümmern wir alle einen Deut, außer wir unterhalten ihn. Und ich bin es so leid, ihn zu unterhalten! Ianthe, sag mir, was du
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