Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
Vom Netzwerk:
ausgelöst worden, und die Krieger hasteten verzweifelt hin und her.
    Rohan sah das Nicken von Chay und hob die Faust. Das Drachenhorn ertönte. Plötzlich schien es, als wäre ein altes Schlachtengemälde vor ihm zum Leben erwacht. Siebzig Reiter rauschten von rechts heran, während zu seiner Linken Fußsoldaten in ordentlichen Reihen aufmarschierten, gerahmt von fünfzig Bogenschützen zu beiden Seiten. Die restlichen achtzig Pferde, einhundert Fußsoldaten und einhundert Bogenschützen schwärmten zu beiden Seiten von Rohan aus und bildeten einen Halbkreis, den er um Roelstra zusammenziehen wollte. Mit gerunzelter Stirn wartete er ab, während seine Streitkräfte ihre Stellungen bezogen. Er sah das Leuchten der Rüstungen, der Schwerter und Scheiden, die helle Fiederung in den über die Schultern gehängten Köchern.
    »Das macht allem ein Ende«, murmelte er so leise, dass nur Chay es hörte, der auch der Einzige gewesen war, der sein Versprechen vernommen hatte, niemals wieder einen Drachen zu töten. »Mein Schwert wird rosten, und ich werde froh darüber sein.«
    »Und meines ebenfalls, mein Prinz«, erwiderte Chay ruhig.
    Rohan warf ihm einen Blick zu; er war überrascht über diese Worte aus dem Mund seines kriegerischen Freundes. »Warum?«
    Ein fast trauriges Lächeln verzog Chays Lippen. »Ehrlich. Lord Eltanin hatte recht, weißt du, was die Wände anging.«
    »Aber niemand hat uns erkannt!«, rief Tobin noch einmal aus. »Und selbst wenn ein paar sterben, wer wird schon jenen Glauben schenken, die ihre Herrin verlassen und somit ihre Ehre verspielt haben? Vor allem, wenn ihre Geschichte gegen das Wort von zwei Prinzessinnen steht!«
    Sioned neigte den Kopf zu dem Baby hinab und versuchte, nicht auf den Streit zu hören, der hinter ihr ausgetragen wurde. Sie konzentrierte sich auf jede Bewegung, denn ihr Körper verlangte nach Ruhe, nach Wasser und Nahrung.
    Ostvels Stimme war rau vor Müdigkeit. »Willst du das Leben des Knaben auf einer Lüge aufbauen? Was wird, wenn er älter ist und die Leute zu flüstern anfangen, was in Feruche passiert ist?«
    »Wer würde das wagen?«
    »Dann soll es ihm also niemand sagen? Niemals?«
    »Willst du derjenige sein, der es ihm sagt? Du?«, forderte Tobin ihn heraus.
    Sioned blieb stehen und wirbelte herum. »Das Kind ist meines«, erklärte sie klar und deutlich. »Ich habe auf sein Kommen gewartet. Ich bin diejenige, die den Knaben aufzieht, und ich bin es, die ihm seinen Namen geben wird. Nur seine Mutter kann einem Kind einen Namen geben. Dieses Baby gehört einzig und allein mir!« Sie sah die beiden entschlossen an und ging dann wieder weiter.
    Es gab keinen weiteren Streit mehr.
    Als sie die Steinskulpturen im Hofe des Gottes des Sturms passierten, hatte Sioned keinen Blick für die Majestät dieser Gebilde. Es waren nur sonderbare, Furcht erregende Schatten, die von der Wintersonne geworfen wurden. Der Aufstieg aus dem Canyon bedeutete mühevolle Arbeit, und als sie nicht mehr weitergehen konnte, sank sie im Schatten nieder und schloss die Augen. Das Baby nuckelte schwach an ihrer Brust, aber sie hatte keine Milch, die sie ihm hätte geben können. Die alte Myrdal kannte Kräuter, die einer jungen Mutter halfen, Milch zu geben, und sie hatten gemeinsam überlegt, dass diese auch Sioned helfen könnten. Sie hatte gierig nach der Möglichkeit gegriffen, das Kind selbst stillen zu können und die Quelle des Lebens für diesen Knaben zu werden. Aber die Geburt war zu früh gewesen, sie selbst war nicht vorbereitet. Sie würden Skybowl bald erreichen müssen, sonst würde er sterben.
    »Armer Kleiner«, murmelte Tobin, die neben Sioned saß und über das flaumige, goldene Haar des Babys streichelte. »Wenn wir nur die Pferde nicht verloren hätten.«
    Sioned nickte. »Heute Abend in Skybowl wird er etwas bekommen. Und dann gebe ich ihm einen NAMEN . Ich brauche dich an meiner Seite, Tobin.«
    »Solltest du nicht warten? Rohan …«
    »… wird mir eben noch etwas mehr verzeihen müssen«, antwortete sie ruhig. Dann blickte sie zu Ostvel auf. »Eher als ich dir verzeihe, dass du mir Ianthes Tod genommen hast.«
    Er zuckte mit den Schultern, und seine Stimme war kalt, als er sagte: »Besser, du vergibst mir niemals, als dass du dir selbst niemals vergibst.« Er warf einen Blick auf die Sonne. »Wenn ihr ausgeruht seid, sollten wir wieder aufbrechen.«
    Sie ging neben Tobin, während Ostvel die Führung übernahm, und versuchte, an gar nichts zu denken. Aber ihr

Weitere Kostenlose Bücher