Sonnenlaeufer
gefunden.«
Sein Vater kämpfte einen Moment mit funkelnden Augen, um sich aufzusetzen. Dann sank er mit einem Grunzen wieder in die Kissen zurück. Rohan versuchte nicht, ihm zu helfen. Er wusste, es würde ihn nur erzürnen. »Wer ist sie?«, wollte der alte Prinz wissen. »Wie heißt sie?«
»Sioned«, murmelte er.
»Weiß deine Mutter es?«
»Niemand weiß es, außer Andrade.«
Ein weiteres kurzes Lachen kam über seine Lippen. »Andrade, ja? Nun ja. Die Familienhexe. Lass dich von ihr nicht einfangen. Sie ist schlau und macht, was ihr gefällt.«
»Ich weiß. Ich habe im Laufe der Jahre ein paar Dinge von ihr gelernt.« Er grinste auf seinen Vater hinab.
Zehava drohte an seinem Lachen zu ersticken, zwang sich dann aber zur Ruhe, als der Schmerz seinen Körper zusammenkrampfte. »Oh, beim Sturmteufel, ich wünschte, ich könnte sehen, was für einen Prinzen du abgeben wirst! Ich habe dich nie richtig kennengelernt, Rohan. Versprich mir, dass du mit deinen eigenen Söhnen mehr reden wirst, als ich es mit dir getan habe.«
Rohan fiel keine Antwort ein, also nickte er nur. Dann bückte er sich und presste seine Lippen auf die Hand seines Vaters, als Ausdruck seines Respekts und seiner Liebe. Ehe das Brennen in seinen Augen zu Tränen werden konnte, sagte er: »Ruh dich jetzt aus. Ich werde Mutter in einer Weile zu dir schicken.« Dann verließ er das Zimmer.
In seinen eigenen Gemächern entließ er seinen Kammerdiener, trat an die offenen Fenster und schaute auf die Gärten seiner Mutter hinab. Er hatte gesagt, was er hatte sagen wollen, um die Sorgen seines Vaters zu erleichtern, so dass dieser in Frieden sterben konnte. Zehava hatte keine Angst mehr um seinen Sohn oder seine Besitztümer. Doch es würde noch lange Zeit dauern, bis auch sein Sohn keine Angst mehr haben würde.
Das Leben in Stronghold verlief gedämpft, und so würde es bleiben, bis Zehava tot und sein Scheiterhaufen abgebrannt war. Rohan hatte das Gefühl, in einer stummen Schattenwelt zu leben, allein und nicht ganz real. Die einzige Realität war das Feuer – die ersterbende Lebensflamme seines Vaters, die Flammen, die Zehavas Überreste verschlingen würden, das Licht im Turm der Ewigen Flamme, das ausgelöscht und dann neu entfacht werden würde, und das Gesicht, das er gesehen hatte, umrahmt von flammendem, rotgoldenem Haar. Er selbst dagegen war ein Geist, in Schatten gehüllt. Er konnte an diese Feuer denken, aber nicht davon erhellt werden. Flammen würden ihn zum Prinzen machen, zum Ehemann und – so hoffte er – zum Geliebten. Aber im Augenblick hatten sie nicht die Macht, seine Zukunft zu erhellen.
Er lauschte auf die Stille und beobachtete das Spiel der Schatten in den Bäumen unter seinem Fenster. Er sollte an die Zeit denken, wenn sein eigenes Licht entzündet werden und sich über die Wüste breiten würde, mit einer ganz anderen Flamme als derjenigen seines Vaters. Er sollte an die Ankunft seiner Braut denken, an den Schmerz seiner Mutter, an das Erbe von Zehava, das seiner Schwester und seinen Neffen zustand. Die hundert Einzelheiten des Todes und die Millionen des fortbestehenden Lebens sollten ihn beschäftigen. Aber Rohan lebte in den Schatten von Stronghold und wartete auf das Feuer.
Die Sage berichtete, dass vor langer Zeit, als die Welt noch sehr jung war, die ersten Lichtläufer von der Göttin selbst gelehrt wurden, Licht zu weben. Das Feuer, erfreut über die Quelle ihrer Webereien, verhandelte mit seinen Brüdern Erde und Luft, so dass die Faradhi’im ihren Zauber ungestört ausüben konnten. Aber ihre Schwester Wasser erwies sich als störrisch, war sie doch der natürliche Feind des Feuers; wenngleich sie auch nichts ausrichten konnte, wenn die Lichtläufer auf dem Licht über sie dahinglitten, so erwies sie sich doch als ausgesprochen hinterhältig, wenn sie sie in Person überqueren wollten. Die ruhige Erde kümmerte sich nicht sonderlich darum, was über ihr geschah, war sie doch ständig mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, doch die launische Luft half Wasser manchmal und schickte schreckliche Windstöße, wann immer ein Faradhi dumm genug war, auf offener See zu segeln. Hilfe oder nicht, Wasser hatte ihren Spaß, wann immer ein Lichtläufer auch nur über einen Fluss ruderte.
So kam es, dass die zehn Lichtläufer in Sioneds Brautzug verzweifelt auf die weite Wasserfläche des Faolain schauten und schluckten. Camigwen zügelte ihr Pferd und starrte auf den brausenden Fluss. »Darauf freue
Weitere Kostenlose Bücher