Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
Vom Netzwerk:
ich mich nicht«, bemerkte sie.
    Ostvel lachte sie aus. »Das ist doch nur ein kleiner Fluss.«
    »Klein?«
    »Wir haben bereits einen Umweg von einhundert Längen gemacht, um die breiteren Furten zu meiden«, erinnerte er sie.
    Sioned seufzte. »Das war auch gut so, sonst wäre ich bei meiner Ankunft in Stronghold nicht fähig, auch nur ein Wort mit ihnen zu reden.«
    Als Ostvel erneut lachte, schalt ihn Cami: »Ach, hör auf! Du hast keine Ahnung, was es heißt, diesen Fluss ansehen zu müssen und zu wissen, dass man sterbenskrank sein wird.«
    »Ach, und du weißt nicht, was es heißt, Segel zu setzen, um nach Kierst-Isel zu gelangen, die Sonne über dir und den Wind im Rücken, die Segel gebläht und das Deck unter deinen Füßen schwankend …«
    »Ostvel, bitte!«, flehte Sioned.
    Er zwinkerte ihr zu. »Du begibst dich ganz eindeutig in das richtige Land«, neckte er. Dann warf er Cami seine Zügel zu und sprang vom Pferd. »Hier, halt das fest, während ich mit dem Fährmann verhandle.«
    Camigwen warf dem Fluss einen weiteren nervösen Blick zu und murmelte: »Warum bauen die nicht einfach eine Brücke?«
    »Das wäre zu einfach«, gab Sioned seufzend zurück. »Ostvel sagt, er schickt uns zuerst hinüber und das Gepäck als Letztes. Nett von ihm, uns etwas Zeit zu lassen, damit wir uns erholen können.«
    »Und auf dem Rückweg müssen wir dieses Monstrum noch mal überqueren«, stöhnte Cami. »Möglicherweise bleibe ich für ewig bei dir in der Wüste! Schau dir nur einmal dieses klapprige Floß an!«
    »Sieht gar nicht so schlecht aus«, gab Sioned zurück und versuchte, zuversichtlich zu klingen. Sie war sich aber ganz und gar nicht sicher darüber, wie sie den Fluss überqueren sollten. Sie stieg ab, wünschte sich schönen, festen Boden unter den Füßen, solange es ging, und half Meath, die Pferde in einer Reihe zum Verladen aufzustellen. Schon jetzt waren alle Faradhi’im unter ihrer Sonnenbräune grün im Gesicht.
    Als Ostvel mit dem Fährmann zurückkehrte, wollte Cami von ihm wissen: »Warum gibt es keine Brücke?«
    »Über dieses Wasser, Lady? Wie sollen wir denn wohl eine solche Entfernung überbrücken?« Stolz wies er auf den Fluss. »Im Frühjahr schwillt diese Dame an wie eine schwangere Hirschkuh. Dann reicht sie bis an die Mauern meines Hauses. Mein Großvater, nun, der hat einmal im Herbst eine Brücke gebaut, und das hat bestens funktioniert, bis die Dame Fluss im Frühjahr beschlossen hat, dass die ihr nicht gefällt. Da hat sie die Brücke fortgespült – und meinen Großvater gleich mit.«
    »Oh«, sagte Cami und warf einen Blick auf die täuschend glatte Wasseroberfläche. »Nun, jetzt sieht der Fluss aber nicht sehr wütend aus«, fügte sie dann hinzu.
    »Seht Ihr das Gekräusel auf halber Strecke im Fluss?« Er deutete auf einen Flecken im Wasser. »Dort ist die Strömung schneller als die besten und heißblütigsten Pferde, die Lord Chaynal von der Burg Radzyn je gezüchtet hat. Ich habe seine Lordschaft vor ein paar Jahren übergesetzt, und er selbst hat mir das gesagt.«
    Sioned hätte zu gern Fragen nach Lord Chaynal gestellt, denn sie wusste, dass er der Schwager des Prinzen war. Aber sie biss sich auf die Zunge, denn derartiges Geschwätz schickte sich nicht für eine künftige Prinzessin.
    »Keine Angst, meine Damen«, beruhigte der Fährmann sie fröhlich. »Meine Mutter nannte mich Eldskon, so, wie jeder gute Name in der alten Sprache eine Bedeutung hat, und in meinem Beruf ist das ein guter Name, verheißt er doch eine ›ruhige Überfahrt‹. Und das verspreche ich auch Euch«, schloss er galant.
    »Bei der Göttin, das hoffe ich«, murmelte Camigwen.
    Das Floß war groß genug, um zwölf locker gefesselte Pferde aufzunehmen, die an der Reling befestigt wurden. Es bestand aus kräftigen Baumstämmen, die mit faustdicken Tauen zusammengebunden waren. Doch im selben Augenblick, als Sioned ihren Fuß auf die flachen Holzplanken setzte, flatterte ihr Magen, und ihre Augen brannten als Zeichen der einsetzenden, üblichen Faradhi- Reaktion auf Wasser. Sie schluckte krampfhaft. Hier war es noch seicht, und das Floß schaukelte nur leicht auf dem ruhigen Wasser, denn es gab keine Strömung. Sie sagte sich, dass sie ihre Würde zu bewahren hätte, und schwor sich mit versteinertem Gesicht, ruhig zu bleiben und ihr Frühstück bei sich zu behalten.
    Es war schwer zu sagen, ob die Pferde oder die Lichtläufer den Fluss mit größerer Angst betrachteten. Das Floß machte einen

Weitere Kostenlose Bücher