Sonnenlaeufer
sein.«
»Du solltest aber in einem Staat anreisen, der der Braut eines Prinzen geziemt«, erklärte er hartnäckig, und sein freundliches Gesicht legte sich in tiefe Sorgenfalten.
Sie lächelte ihm liebevoll zu. »Ich kann von Glück sagen, dass ich überhaupt anreise, so wie die Dinge stehen. Wie geht es Cami?«
»Sie ist noch immer schwach, der arme Liebling. Ich bin erstaunt, dass sie überhaupt fähig ist, aufzustehen, ganz zu schweigen davon, an die Pferde zu denken. Ich bin überrascht, dass ihr alle so schnell gehandelt habt. Wir verdanken euch Lichtläufern unser Leben.«
»Denk daran, wenn du uns das nächste Mal damit aufziehst, wie wir auf Wasser reagieren.« Sioned fuhr sich mit den Händen durch das feuchte Haar. »Wir vergeuden den Tag, Ostvel. Heb Cami auf ihr Pferd. Binde sie am Sattel fest, wenn es sein muss, aber wir müssen weiter.«
Camigwen erholte sich so weit, dass sie auf dem Pferd sitzen konnte, ohne dass Ostvel zu dem Mittel greifen musste, das Sioned vorgeschlagen hatte. Den Rest des Nachmittags jammerte sie über den Verlust von Sioneds Gewändern und die Folgen. Nichts konnte sie trösten und davon überzeugen, dass es Sioned gar nicht so viel ausmachte. Tatsächlich war Sioned sogar erleichtert darüber, dass sie in einfachen Gewändern in Stronghold eintreffen würde und nicht in großem Staat. Noch war sie keine Prinzessin, und noch immer konnte sie nicht ganz glauben, dass sie es je sein würde.
Als sie schließlich zur Nacht einkehrten, waren alle erschöpft. Ihre Muskeln, die ans Reiten gewöhnt waren, waren nicht dazu gedacht, sich an Tauen entlangzuhangeln, und gedämpftes Stöhnen war zu vernehmen, als die zwölf abstiegen. Sie verbrachten die Nacht auf einer Farm, die Palevnas Onkel mütterlicherseits gehörte, aber die Faradhi’im fühlten sich außerstande, den Kochkünsten seiner Gemahlin Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, und gleich nach dem Abendessen schleppten sie sich in die Scheune hinaus, wo sie auf Decken ins weiche Heu sanken.
»Stellt Euch bloß vor«, meinte Ostvel fröhlich, und seine grauen Augen funkelten, »auf dem Rückweg müssen wir den Faolain noch einmal überqueren!«
Camigwen blitzte ihn wütend an. »Denk gut nach«, erklärte sie düster. »Ich lasse Mardeem eine Brücke zusammensingen, wenn es sein muss, aber ich werde das Wasser auf nichts anderem als auf meinen beiden Füßen überqueren.« Sie warf die Arme um ihren Geliebten und verbarg das Gesicht in der Krümmung seines Nackens. »Ich hätte dich in diesem verdammten Fluss beinahe verloren.«
Sioned beobachtete, wie er sie tröstete, und lächelte. Ganz gewiss lag der Segen der Göttin auf diesem Paar. Ihr Lächeln verging, als sie begriff, dass sie selbst weit fort sein würde, wenn diese beiden heirateten, und dass sie an den Feierlichkeiten nicht teilnehmen würde.
Und ihre eigene Hochzeit? Sie konnte sie sich weder vor Augen rufen noch daran glauben. Den Mann, ja – den konnte sie in jeder Farbe des Himmels und in jedem Sonnenstrahl erblicken. Aber der Prinz war ein Fremder. Wer war er? Gab es einen Geist, der zu diesen strahlenden Augen passte?
Nachdem die anderen schon lange eingeschlafen waren, lag sie noch wach und starrte durch das Scheunentor zu den Sternen empor. Dieses klare, süße Licht der Mondnacht; es gehörte Meisterschaft dazu, darauf zu reisen. Wenn man es konnte, dann konnte man selbst in Nächten, in denen die Monde nicht aufgingen, hingehen, wohin es nötig war, indem man auf diesen bleichen Lichtspuren dahintanzte. Aber den Schimmer der Sterne zu nutzen war den Lichtläufern untersagt. Vielleicht erstreckte sich der Schutz der Göttin nicht auf diese fernen Lichtpünktchen. Das Feuer der Sonne und der Monde stand unter ihrem Segen, aber was war mit den Sternen? Sie warfen feinste Schatten auf die Wiesen und Berge, mysteriös und verträumt. Welche Farben verbargen sich in ihnen? Sioned, mit ihren sechs Ringen an den Fingern, war in der Lage, sowohl das Sonnenlicht als auch das Licht der Monde zu betreten. Sie zählte diese Ringe im Sternenschein, vier aus Gold und zwei aus Silber, schlichte Reife, die sie in der Schule der Göttin nicht hervorhoben, sie aber draußen in der Welt als ein anderes Wesen auszeichneten. Sie dachte an ihre Kindheit in River Run und wie ihre Schwägerin sie schief angesehen und ihrem Bruder Davvi etwas zugeflüstert hatte. Nun, als Erwachsene, konnte Sioned mit einem Gefühl an Lady Wisla denken, das an Dankbarkeit grenzte, denn
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