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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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sammelte sich. »Woher weißt du, dass ich mit dir nicht dasselbe mache wie mit ihnen?«, zischte sie.
    »Weil ich noch etwas anderes weiß, Palila, und das könnte dich wirklich das Leben kosten. Nun? Was sagst du? Sollen wir den Handel abschließen?«
    Palila erhob sich müde und ging zum langen Tisch hinüber, wo silberne Leuchter im schwachen Mondlicht schimmerten. Dazwischen befand sich eine kunstvoll gehämmerte Goldplatte. Sie stellte sie auf und sah ihr eigenes Spiegelbild, überzogen von winzigen Falten – eine Vision des Alters, wenn ihre Schönheit und ihre Macht vergangen sein würden, wenn sie nur noch ihren Sohn haben würde, der ihr Luxus ermöglichte. Es musste ein Sohn sein. Roelstra musste sie zu seiner Gemahlin machen. Sie musste tun, was immer Pandsala verlangte.
    »Ich werde dafür sprechen, dass du Prinz Rohans Braut wirst«, versprach sie tonlos, wobei sie noch immer ihr Spiegelbild auf der flachen, goldenen Platte anstarrte. »Ich werde tun, was ich kann, um Ianthes Chancen zunichtezumachen. Aber ich kann dir nichts versprechen, Pandsala. Du kennst deinen Vater.«
    »Alles, was ich verlange, ist dein Einfluss – unauffällig, wenn ich bitten dürfte. Ich meinerseits werde Vater nicht erzählen, was ich weiß. Und ebenso wenig werde ich mit meinen Geschichten zu Ianthe laufen. Ich wusste, dass dich das nervös macht«, fügte die Prinzessin verschlagen hinzu, und Palila hasste sie. »Sie hat dir schon nach dem Leben getrachtet.«
    »Mehr als einmal«, sagte Palila und stellte die Platte ab. Sie drehte sich um. »Meine Diener sind loyal.«
    »Damit rechne ich. Aber werden sie auch dann noch sagen, was du ihnen befiehlst, wenn sie glühende Eisen vor Augen haben?«
    Feuer – Palila unterdrückte ein Schaudern. »Sie wissen, dass ich ihnen noch Schlimmeres antun werde, wenn sie nicht gehorchen.«
    »Ausgezeichnet. Dann höre mir jetzt gut zu, Palila. Ianthes Plan ist sehr verwickelt, und du musst ihn ganz genau verstehen, wenn wir ihn zu unserem Vorteil nutzen wollen.« Pandsala lachte plötzlich, ein Laut, der an Palilas Nerven zerrte. »Du wirst einen Sohn bekommen, Palila – so oder so!«
    Crigo blieb vor dem Eingang zur Kapelle stehen – nicht aus Vorsicht, sondern einfach, weil die Schönheit der hölzernen Tür ihn immer wieder überwältigte. Unterhalb des Steinbogens war sie in gleich große Felder eingeteilt; sie zeigten das Wasser des Meeres, die Schaumkronen silbern betont; den Wind, der durch ein goldenes Weizenfeld strich; die majestätische Erde des Veresch-Gebirges, gekrönt von silbernem Schnee; und schließlich das Feuer eines Sonnenaufgangs, tief ins Holz geschnitzt und üppig vergoldet. Doch selbst jetzt, wo sein Geist angesichts dieser Schönheit jubelte, krümmte er sich innerlich, wusste er doch, wie wenig er es verdiente, diesen Ort zu betreten.
    Voller Hohn über seine eigenen Skrupel verzog er das Gesicht. Die Göttin hatte diese Kapelle gewiss schon vor langer Zeit verlassen, voll Abscheu über diesen Mann, der sie hatte errichten lassen. Er würde ihre Gegenwart hier nicht spüren, missbilligend und vielleicht ein wenig bekümmert. Nein, das bestimmt nicht; das einzig Traurige war sein eigenes Selbstmitleid. Er verzog die Lippen und streckte seine Hand aus, um die Türen aufzustoßen. Aber auf einmal hörte er ein schwaches Lachen von innen. Das war nicht Lady Palilas Stimme, wenngleich sie fast ebenso boshaft klang. Dieses Lachen war tiefer und kehliger. Crigo öffnete die Tür gerade weit genug, um hineinsehen zu können, und spähte in die Dämmerung.
    Zwei Frauen saßen zu beiden Seiten des Ganges in der ersten Stuhlreihe. Er erkannte Palila an den silbernen Nadeln, die den Schleier auf dem Scheitel ihres Kopfes hielten, aber es bereitete ihm Mühe, die größere Frau zu erkennen. Doch dann wandte sie den Kopf und zeigte ihm ihr Profil mit der feinen, stolzen Nase und der hohen Stirn der fürstlichen Prinzessin. Crigo schluckte voll Entsetzen. Prinzessin Pandsala verabscheute die Mätresse ihres Vaters ebensosehr, wie seine anderen Töchter es taten. Was tat sie hier? Warum redete sie unter vier Augen mit Palila?
    Er wollte es wirklich nicht wissen. Er kannte bereits zu viele Geheimnisse, Dinge, die seinen Tod bedeuten würden, sollte Roelstra jemals den Glauben an die Macht des Dranath verlieren. Doch die Versuchung war zu groß. Er schuldete Palila noch etwas, da sie ihm das Dranath zum »Geschenk« gemacht hatte; sollte er etwas Nützliches hören, könnte er

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