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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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er konnte sein gedämpftes Grollen von Norden her hören, wo er über eine Klippe rauschte und in Stromschnellen schäumte, ehe er an der Burg vorüberfloss. Mit geschlossenen Augen lauschte er und zitterte. Diesem Geräusch konnte er niemals entfliehen, aber er sehnte sich nach der absoluten Stille, die ihm nur der Schlaf brachte, den das Dranath ihm brachte.
    In der Wüste würde es jetzt still sein, während sie zusahen, wie Prinz Zehavas Leichnam verbrannte. Lady Andrade würde dort sein, von vielen Faradhi’im begleitet. Der alte Prinz hatte sich einen günstigen Zeitpunkt zum Sterben ausgesucht. Sehr viele waren dort, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Morgen würde Crigo von den Spionen in Stronghold einen ausführlichen Bericht bekommen, die das Ritual sicher mit zynischen Augen betrachtet hatten. Er spürte das kühle Mondlicht im Gesicht, die Kraft der Droge in seinen Adern, und entschied sich für das Wagnis, mit seinen eigenen Augen zuzusehen. Er sehnte sich danach, mit seinen eigenen Leuten zu kommunizieren und wieder zu ihnen zu gehören. Das war ihm für immer versagt, und er wusste das – aber ebensowenig konnte er dieser Gelegenheit widerstehen, ihr Werk zu betrachten, selbst wenn er sich nicht mit ihnen auf dem reinen, bleichen Licht vereinen konnte.
    Er hob sein Gesicht zu den drei glühenden Kreisen am Nachthimmel empor und verwebte ihr zartes Licht zu einem Stoff von ausgesuchter Schönheit. Er schleuderte ihn nach Osten und Süden, wie man einen Teppich ausrollt, und frohlockte, als er darauf zu dem Sand außerhalb Strongholds eilen konnte. Er fühlte sich frei, so sehr, als ob er fliegen würde, so dass er die Schultern reckte, als würde er Drachenschwingen besitzen. Er entdeckte ein winziges Licht unter sich, wie ein goldener Stern auf dem Weg zur Erde, und als er sich dorthin hinabließ, sah er graue Gestalten, die in der Nähe standen. Crigo sehnte sich danach, sie anzurufen und die strahlenden Farben ihres Geistes zu fühlen. Aber er hielt sich zurück, denn die Scham brannte erneut in ihm, als er zusah, wie sie dem toten Prinzen mit dem Feuer der Lichtläufer Ehre erwiesen, einem Feuer, das Zehavas Geist freisetzte, so dass er auf dem Wüstensand reiten konnte.
    Tobin hielt die Hände ihrer Söhne, als die Monde über ihnen aufstiegen. Jahni und Maarken waren erschöpft, denn sie hatten ihren Vater und Maeta begleitet und geholfen, die sterbliche Hülle des Drachen aus Rivenrock zu holen. Ihre Gesichter wurden von grauen Kapuzen verborgen, aber trotz ihrer Müdigkeit hielten sie sich, wie es jungen Edlen, die sie waren, geziemte. Aber ihre Hände waren feucht, und sie bewegten sich unruhig, während die Versammlung darauf wartete, dass Rohan mit dem Ritual begann.
    Zusammen mit der Familie und zweihundert anderen Personen waren sie ihm schweigend die drei Längen bis zum Füllhorn der Göttin gefolgt, einer Ansammlung riesiger Felsbrocken, die beim Schein des Mondes sonderbare, furchterregende Gestalt annahmen. Es ging die Sage, die Steine wären vom Himmel gefallen, als die Berge gebaut worden waren, und wären im Sand liegen geblieben und vergessen worden. Maarken und Jahni hatten selbst für Fünfjährige eine lebhafte Phantasie, und Tobin wusste, dass sie hinter jedem Stein ein Ungeheuer lauern sahen. Sie hätte ihnen gern ein paar beruhigende Worte zugeflüstert, aber Schweigen war jetzt oberstes Gebot.
    Rohan stand allein abseits und hielt eine Fackel in seiner Hand. Die Flamme verwandelte sein Haar in flüssiges Gold und tauchte seine Augen in Dunkelheit. Heute Abend war er ein Fremder. Zum ersten Mal konnte Tobin in ihm ihren Vater wiedererkennen; die Wüste hatte ihn zum Prinzen erkoren. Auch Zehava hatte diese Aura umgeben, denn trotz aller Bequemlichkeiten, die Milar in Stronghold eingeführt hatte, hatten ihn Sand und Wind geprägt. Der Drache, der den alten Prinzen getötet hatte, lag hingestreckt zwischen den größten Felsen. Durch den Sand wand sich ein langer, tiefer Graben, die Spur, die der schwere Leichnam hinterlassen hatte, als er zu seinem Platz geschleift worden war. Ganz in der Nähe lag Zehava auf einem flachen Stein, der durch fünfzehn Generationen das Totenbett des Prinzen gewesen war. Ein silberner Umhang bedeckte seinen Körper vom Hals bis zu den Füßen. Der Fackelschein betonte sein scharfes Profil und den schwarzen Bart, die ihn so sehr von den feinen Zügen und den glatt rasierten Wangen seines Sohnes unterschieden. Und doch waren sie sich ähnlich,

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