Sonnenlaeufer
nichts Wichtiges, was du mir sagen könntest, das ich nicht längst wüsste! Und es bedeutet überhaupt keine Mühe für mich, passende Kleider für dich zu finden. Wenn ihr aus Waes zurückkommt, werde ich einen ganzen Schrank für dich gefüllt haben. Frauen in unserer Stellung haben gewisse Verpflichtungen, weißt du. Deine Freundin Camigwen versteht das sehr gut. Ich mag sie sehr gern, Sioned. Was nun die Verpflichtungen angeht – ich hoffe, du wirst sie nicht zu langweilig finden. Wir werden dafür entschädigt, selbst wenn unsere Männer schwierig sind.«
Sioned sah zu, wie sich die Tür hinter der Prinzessin schloss. Benommen fragte sie sich, ob es in Stronghold überhaupt noch jemanden gab, der nicht sicher war, dass Rohan sie heiraten würde. War ihr »Geheimnis« so bekannt, dass sie niemals in der Lage sein würden, ihren Plan auszuführen?
Milars Kammerfrau traf einige Zeit später ein, verneigte sich ehrerbietig und tief genug, um zu zeigen, dass sie in Sioned bereits eine Prinzessin sah, und sagte: »Guten Abend, Mylady. Ich lege das Gewand nur aufs Bett, und dann kümmern wir uns um Euer Bad, ehe ich mit Eurem Haar anfange. Ihre Hoheit sagt, Ihr solltet Euch keine Sorgen machen, wenn Ihr ein wenig zu spät kommt, weil dies der perfekte Abend für einen großen Auftritt wäre. Wenn Ihr fertig seid, Mylady, können wir anfangen.«
Sioned vermutete allmählich, dass Andrade – und Camigwen – ihre Finger im Spiel hatten, was die allgemeine Haltung ihr gegenüber anging. Sie glaubten wahrscheinlich, wenn jedermann sich so benahm, als wäre Sioned Rohans offizielle Braut, dann würde er gezwungen sein, sie öffentlich anzuerkennen. Sie bezweifelte, dass sie seine Sturheit wirklich richtig einschätzten.
Sioned selbst war in Bezug auf ihre Zukunft geteilter – sogar dreifach geteilter – Ansicht. Sie wollte Rohan. Sie wünschte, dass seine Pläne Erfolg haben würden, denn sie wusste, dass ein gemeinsames Leben in Frieden von Vereinbarungen abhängen konnte, die er beim Rialla mit dem Hoheprinzen treffen wollte; die Scharade war notwendig. Aber sie hasste auch Andrade dafür, dass sie sich in ihr Schicksal einmischte, und ihr Zusammenstoß mit Rohan hatte dafür gesorgt, dass sie ihn in ihrer Wut in einem anderen Licht sah.
Die Zofe schwatzte munter drauflos, und Sioned lernte etwas Interessantes: Leeres Geplapper war eine sehr gute Sache, wenn man nicht auf seine eigenen Gedanken lauschen wollte.
»Wo ist er?« Milar faltete ihre Serviette und blickte erneut durch die Große Halle.
»Wenn ich es wüsste, würde ich ihn holen und an der Nase hierher ziehen«, fauchte Andrade. Nach dem langen Ritt durch die Hitze war sie müde und wünschte sich nichts sehnlicher als ihr Dinner. Doch die Vasallen und Gäste würden keinen Bissen und keinen Tropfen Wein anrühren, bevor sich nicht der Prinz dazu herablassen würde, ihren Tisch schließlich mit seiner Gegenwart zu beehren. Er war nicht dumm genug, um sich zu verstecken, doch wenn er an Sioneds Augen während des Rittes aus Rivenrock dachte, schien es am klügsten, sich zu verstecken, bis ihre Laune sich abgekühlt hatte. Andrade konnte raten, welche Worte zwischen ihnen gefallen waren.
Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Das Kissen trug nur wenig dazu bei, die Schmerzen ihres wunden Körpers nach dem ungewohnt langen Ritt zu lindern. Der Rest der Gesellschaft wurde langsam nervös und beäugte die Eingangstür. Andrade nahm im Geiste den Bestand auf und ordnete jedem Vasallen seine Kriegsfahne zu. Die Flaggen waren hoch über den Fackeln dekoriert, die ihrerseits so hoch angebracht waren, dass sie zwar ausreichend Licht verströmten, aber nicht zu viel Hitze in diesem beständig warmen Raum. Am Ende der Halle standen zwei riesige Doppeltüren weit offen, ebenso die Fenster zu beiden Seiten davon und entlang der Außenwand, um jede Brise hereinzulassen und den Raum für das Festmahl abzukühlen. Doch die Flaggen bewegten sich kaum, und die Flammen der Fackeln brannten gleichmäßig und rauchlos. Andrade fuhr mit der Zunge über ihre trockenen Lippen, schob eine Locke aus dem Nacken und verfluchte die Verspätung ihres Neffen.
Doch dann sprangen ihre Augen fast aus den Höhlen, als Rohan in die Halle stolzierte. Er ging den langen Gang zwischen den Tischen mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit entlang, mit der Autorität absoluten Besitztums. Er war ganz in Schwarz und Silber gekleidet, und sein goldenes Haar glänzte wie poliert.
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