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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Andrade drohte an einem Kichern zu ersticken, das ihrem Alter und Rang ganz und gar nicht entsprach. Sein Auftritt war reinster Zehava, Sohn des Drachen, und sie verzieh ihm alles angesichts der Belustigung, die sie darüber empfand, wie er alle anderen im Raum in Verwirrung stürzte.
    Ein eng anliegendes, am Hals offenes Hemd war in eine hautenge, schwarze Hose geschoben. Am Hals, an den Handgelenken und oben an den glänzenden, hohen schwarzen Stiefeln blitzte silberne Stickerei. Zwei Ringe – ein Topas und ein Smaragd – glänzten an seinen Fingern, und ein einzelner, dicker Onyx pendelte an einer silbernen Schließe, die sein Ohr umgab, direkt neben seiner Wange. Die Wirkung war perfekt – und zielte nicht nur darauf ab, die Vasallen zu beeindrucken.
    Rohan blieb stehen, um sich vor seiner Mutter zu verbeugen. Die beiden Hälften des Tisches waren auseinander gerückt worden, so dass Milar auf der einen Seite saß und Rohan auf der anderen. Er nahm neben Andrade Platz, und als Walvis vortrat, um ihm Wein einzuschenken, konnte das Fest endlich beginnen. Andrade musterte ihn von oben bis unten und murmelte: »Nun, ich frage mich, wozu das alles nützlich sein soll?«
    Tobin starrte ihn offen an. »Du siehst einfach wunderbar aus!«
    »Danke dir«, erwiderte er vergnügt. »Aber ich muss sagen, Tobin, du überraschst mich! Deine Hände sind gar nicht rot vom Verprügeln deiner beiden Bengel.«
    »Das hat Chay für mich übernommen – sie werden zwei Tage lang nicht sitzen können. Aber wo ist Sioned? Ich möchte ihr danken.«
    »Ist sie noch nicht da?«, fragte er und blickte sich flüchtig in der Halle um.
    »Sie kommt noch«, sagte Milar. »Hör zu, Rohan, bring sie nicht in Verlegenheit. Sie ist wirklich ziemlich schüchtern, weißt du. Wie gut du aussiehst, mein Lieber. Ich bin froh, dass ich nicht umsonst so viel genäht habe, dass meine Augen heute fast nichts mehr sehen.«
    »Das hätten doch deine Damen für dich erledigen sollen«, schalt er sie zärtlich.
    »Sei nicht albern. So hatte ich wenigstens etwas zu tun, während mich Andrade mit ihren Geschichten gelangweilt hat. Außerdem sind meine Damen mit den Plänen für die neue Prinzen-Suite beschäftigt. Sie soll fertig sein, wenn ihr zurückkommt.«
    »Das klingt ja, als würdest du nicht mit uns kommen«, bemerkte Chay.
    »Ich habe hier zu viel zu tun.« Sie tauchte die zarten Finger in eine Schüssel mit Duftwasser, die ihr Knappe ihr reichte. »Rohan wird seine Braut in Gemächer führen wollen, die ihr angemessen sind. Dabei fällt mir ein – geh nach oben und such sie, Jary.«
    Der Knappe eilte davon. Jegliches Gespräch verstummte ein paar Augenblicke lang, während alle so taten, als hätten sie Rohans Erröten nicht bemerkt. Andrade winkte Walvis mit dem Finger herbei. »Lege für Lady Sioned ein Gedeck am Ehrentisch auf.«
    Der Knabe verbeugte sich. Seine Wachsamkeit ihr gegenüber wich einem breiten Grinsen. »Mein Herr hat das bereits früher angeordnet, Mylady.«
    Andrade zwinkerte ihm zu. »Sehr rücksichtsvoll. Ich billige das.« Sie wandte sich an ihren Neffen. »Dafür bringt sie dich um.«
    »Sie hätte an die offiziellen Folgen denken sollen, bevor sie Jahni und Maarken gerettet hat.« Seine Augen blitzten in boshafter Vorfreude. »Es wäre eines Prinzen unwürdig, ihr nicht in aller Öffentlichkeit zu danken.«
    »Ich behaupte dennoch, sie bringt dich dafür um.«
    »Dieses Ei ist noch nicht ausgebrütet. Aber was hältst du von meinem ersten offiziellen Auftritt als regierender Prinz?« Er ergriff seinen Weinkelch und setzte sich in Positur.
    Sie lachte. »Sehr eindrucksvoll. Mir gefällt der Schmuck. Trag niemals mehr als das, Rohan. Dein Haar und deine Augen sind genug! Es gibt keine einzige Frau in diesem Raum, der bei deinem Anblick nicht das Wasser im Mund zusammenläuft. Aber ich vermute, es ist die Frau, die noch nicht hier ist, der du gefallen möchtest.«
    »Liebste Tante, dieses Ei hat noch nicht einmal einen Sprung. Also sieh den Flug des Drachen nicht schon voraus.«
    Sie zog die Brauen hoch. »Oh, wie poetisch unsere Ausdrucksweise geworden ist, mein lieber Prinz! Übst du für Roelstra – oder für Sioned?«
    »Ersteres natürlich. Lieber hochfliegende Phrasen als das, was ich gern wirklich zu ihm sagen würde.«
    »Du hast Tage damit verbracht, sie dir auszudenken, was?«
    »Jahre.« Er verzog das Gesicht, hob seinen Kelch an die Lippen und brach auf einmal mitten in der Bewegung ab. Andrade folgte seinem Blick

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