Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Freunde«, versuchte ich zu erklären.
»Warum?«
Gute Frage. Verdammt gute Frage.
Weil ich zu lange gewartet hatte. Weil ich zu feige war. Weil die Welt sich dreht. Wenn ich gewusst hätte warum, wäre ich nicht so verdammt verzweifelt gewesen.
»Es ist eben so«, sagte ich. »Ich weiß auch nicht warum.«
»Schade. Sie ist so ein hübsches Mädchen.«
Bei Gott, ja, das war sie wirklich. Das hübscheste Mädchen der Welt.
Es ist ganz schön auffällig, wie oft ich Gott sage. Ich sage das, obwohl ich kein bisschen religiös bin. Ernsthaft. Ich bin zwar Katholik, weil ich katholisch getauft wurde, aber dafür kann ich schließlich nichts. Damals hat mich niemand gefragt oder ich habe keinem geantwortet. Ich weiß es nicht mehr so genau. Jedenfalls wäre ich jetzt genauso wenig religiös, wenn ich evangelisch oder methodistisch oder sonst wie getauft worden wäre. Ich sage nur einfach gerne Gott, das ist alles.
Falls es wirklich einen Gott gab, dann sollte er gefälligst Käthchen gesund machen. Es wurde immer schlimmer mit ihr.
»Ich glaube nicht, dass sie wieder gesund wird«, sagte meine Großmutter.
»Es sieht nicht so aus«, stimmte ich ihr zu.
»Ich will nicht, dass sie sich so quält. Ich habe schon überlegt, ob ich sie nich t …«
»Du meinst, du willst si e … einschläfern lassen?«
»Ich weiß es nicht. Was meinst du?«
Das war nicht fair. Sie überließ mir die Entscheidung. Ich wollte auch nicht, dass Käthchen sich weiter so quälen musste, aber hatte ich deswegen das Recht über Leben und Tod zu entscheiden? Ich hätte gern gewusst, was Käthchen darüber dachte. Sie hätte entscheiden müssen, nicht ich. Nur weil sie unserer Sprache nicht mächtig war, machte man mich zum Scharfrichter. Bei manchen Menschen wäre mir diese Entscheidung wesentlich leichter gefallen. Hoffmann, zum Beispiel. Den hätte ich, ohne zu zögern, eigenhändig eingeschläfert. Mit einer Schrotflinte. Oder all die Unsterblichen auf der Autobahn. Diese Leute hatten es verdient zu sterben. Aber Käthchen? Sie hatte niemandem etwas getan. Nicht mal einer blöden Katze oder so. Sie hatte es nicht verdient zu sterben. Aber genauso wenig hatte sie es verdient, sich derart zu quälen.
»Ich meine, wir sollten es tun«, sagte ich. »Für sie, nicht für uns.«
»Ich glaube, du hast Recht. Ich rufe den Tierarzt an.«
Das Urteil war gesprochen. Ob es ein gerechtes Urteil war, wusste ich nicht. Es gab keine Geschworenen und Käthchen hatte keinen Anwalt, der sie verteidigen konnte. Wie lautete überhaupt die Anklage? Illegale Beherbergung von Zysten? Mir war immer noch nicht wohl bei der Sache, aber ich glaubte das Richtige für Käthchen zu tun.
acht
Eine halbe Stunde später saßen wir im Wartezimmer des Tierarztes. Käthchen lag in ihrem Korb und zitterte am ganzen Leib. Das tat sie schon, seit wir die Wohnung meiner Großmutter verlassen hatten. Sie wusste immer genau, wann sie auf dem Weg zum Tierarzt war. Ob sie auch wusste, dass es das letzte Mal sein würde? Verdammt.
Das Wartezimmer war brechend voll. Hunde, Katzen, Vögel, Meerschweinchen, Schildkröten und sogar eine Schlange. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn man sie alle aufeinander losließe. Das reinste Chaos. Ob die Schlange wohl das Meerschweinchen verschlingen würde? Groß genug war sie jedenfalls.
Uns gegenüber saß eine dicke Frau mit einem dieser hässlichen Pudel. Sie schienen beide zum selben Friseur zu gehen. Wie man einen Hund so verunstalten konnte, war mir unverständlich. Sein Fell war rosa gefärbt. Ein Fall für den Tierschutzverein. Eindeutig.
Meine Großmutter wurde ins Sprechzimmer gerufen. Ich blieb bei Käthchen, um sie zu beruhigen.
»Was hat denn das arme, kleine Ding?«, fragte die Pudelfrau kaum hörbar.
In Wartezimmern wurde immer geflüstert. Als ob man vom lauten Reden noch kränker wurde.
»Sie stirbt«, sagte ich mit todernstem Gesicht.
»Ach, Gottchen! Das arme, kleine Ding. Was hat sie denn?«
»Aids«, sagte ich trocken.
»Aids? Ein Hund?«, wunderte sie sich.
»Ja. Ein drogensüchtiger Cockerspaniel hat sie vergewaltigt.«
»Um Gottes willen!«, sagte sie erschrocken. »Hat man ihn denn erwischt?«
Sensationell. Manche Leute glaubten einem wirklich alles.
»Nein«, sagte ich. »Er läuft noch frei herum. Neulich soll er sogar eine Schäferhündin überfallen haben.«
»Eine Schäferhündin? Ja, ich glaube, ich habe sogar davon gehört.«
»Es stand in der Zeitung.«
Ich konnte einfach nicht
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