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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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allen vieren krabbelte ich zu der Bank zurück und setzte mich wieder hin. Verdammte Kälte! Verdammter Gott! Ich würde nie von dort fortkommen und jämmerlich erfrieren. Der krönende Abschluss eines beschissenen Tages in einem beschissenen Leben. Alles wird gut. Wer hatte das noch gleich gesagt? Käthchen oder Neuroth oder wer? Alles wird gut und vergiss dein Leben nicht! Oh Gott, mein Leben! Wo war es? Hatte ich es noch bei mir? Ich hatte es völlig vergessen und ich wollte doch gut darauf aufpassen. Gott sei Dank! Es baumelte immer noch an meinem Handgelenk. Ich packte es aus. Mein Leben wird mich warm halten, dachte ich und versuchte das T-Shirt anzuziehen. Es passte nicht über meine Jacke und mein Kopf nicht durch die Öffnung, und egal, wie ich es auch drehte und wendete, es gelang mir nicht, es anzuziehen. Scheißleben. Wie soll man darauf aufpassen, wenn es nicht passt? Ich schleuderte das T-Shirt wütend von mir weg. Was sollte ich noch damit? Kelly wollte es nicht und mir war es zu klein. Aber hatte ich nicht versprochen, darauf aufzupassen? Jemandem hatte ich doch versprochen, darauf aufzupassen. Verdammt! Ich musste es wiederhaben und mein Versprechen halten. Unbedingt. Auch wenn ich nichts mehr damit anfangen konnte und es nichts mehr bedeutete. Wo war es? Ich konnte es nirgendwo entdecken. Auf den Knien krabbelte ich den Boden ab. Lieber, lieber Gott, bitte lass mich mein Leben wiederfinden! Ich krabbelte an den Rand des Bahnsteigs und dort sah ich es. Es lag unter mir auf den Gleisen. Von dort oben konnte ich es nicht erreichen, also kletterte ich hinunter auf die Gleise. Ich nahm das T-Shirt und zwängte es mir über den Kopf, sodass es wie ein Schal um meinen Hals lag.
    Als ich aufstehen wollte, um wieder auf den Bahnsteig zu klettern, schlug die Traurigkeit ein letztes heftiges Mal zu. Es kam sehr plötzlich und diese gottverdammte Traurigkeit nahm den ganzen verfluchten, beschissenen Tag und rammte ihn mir noch einmal geballt mitten in mein Herz. Sie gab sich nicht einfach nur damit zufrieden, gewonnen zu haben. Sie wollte sehen, wie ich an ihr zerbrach, und das hatte sie endlich geschafft.
    Ich wollte weinen. Ich wollte so gerne weinen, aber es ging nicht. Meine Augen wurden feucht und mein Hals wurde zu eng, aber keine einzige Träne fand ihren Weg nach draußen. Alle meine Tränen flossen innen an mir herab und sammelten sich in meiner Brust, die immer schwerer und schwerer wurde, bis ich schließlich unter ihr zusammenbrach.
    Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, war eine seltsame Stimme über mir. Ich lag zwischen den Schienen und sah den Himmel und Kelly lag neben mir und Käthchen und sie waren beide tot und diese seltsame Stimme sagte: »Achtung! Auf Glei s 18 fährt ab der Schnellzug nach Alsfeld/Vogelsberg. Bitte von der Bahnsteigkante zurückbleiben!« Diese verdammten Vögel! Sie konnten mich einfach nicht in Ruhe lassen. »Alles wird gut, David«, sagte die Stimme noch und dann bin ich wohl eingeschlafen.

einundzwanzig
    »Warum macht der Junge so was?«
    »Er war betrunken. Er hat sein Abitur gefeiert und dabei zu viel getrunken.«
    »Aber er wollte sich umbringen. Er lag auf den Gleisen. Wenn dieser Arbeiter nicht dort vorbeigekommen wäre. Ich darf gar nicht daran denken. Oh Gott! Warum hat er das bloß gemacht?«
    »Ich glaube nicht, dass er sich umbringen wollte. Er war so stolz auf sein Abitur, und als wir mit Käthchen beim Tierarzt waren, war er sehr tapfer. Er wollte sich bestimmt nicht umbringen.«
    »Der Arzt hat gesagt, er hatte 3, 6 Promille. Wahrscheinlich ist er hingefallen. Hoffentlich wird ihm das eine Lehre sein.«
    »Psst! Ich glaube, er wacht auf!«
    »David?«
    Ich war schon kurze Zeit wach gewesen und hatte diese Stimmen gehört, ohne ein Wort zu verstehen. Was war mit mir geschehen? Ich war auf dieser Party gewesen und danach hatte ich noch was an den Kopf gekriegt und die Marsmännchen wollten mich nicht mitnehmen und dann hatte ich mein Leben gerettet. Und diese verdammten Vögel hatten jetzt sogar schon einen eigenen Berg. Ich öffnete meine Augen. Ich war in einem Krankenhaus. Wollte ich da nicht sowieso hin?
    »David, mein Schatz! Bleib ganz ruhig! Du bist in einem Krankenhaus. Alles wird wieder gut.«
    Meine Mutter! Sie saß neben meinem Bett und streichelte mir den Kopf.
    »Du dummer Junge! Warum hast du das bloß gemacht?«
    »Was gemacht?«
    »Warum wolltest du dich bloß umbringen?«
    »Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte nu r … Ich

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